Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
geliefert. Ich dachte, ich kaufe sie für Sie, bevor Ihr Kollege sie Ihnen vor der Nase wegschnappt.«
Ricarda ließ die Finger vorsichtig über den Verschluss gleiten.
»Sie ist wunderschön!«
»Öffnen Sie sie!«, forderte Jack sie auf.
Nun erlebte Ricarda noch eine Überraschung. In der Tasche befanden sich ein paar nagelneue Instrumente.
»Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!«
»Ich glaube schon, dass das nötig war«, beharrte Jack lächelnd. »Eine Arzttasche ist doch keine Arzttasche, wenn kein Instrumentarium drin ist!«
Ricarda schüttelte überwältigt den Kopf und fiel Jack unvermittelt um den Hals.
»Es lohnt sich offenbar wirklich, gute Taten zu vollbringen«, bemerkte er scherzhaft, während er ihre Umarmung beinahe schüchtern erwiderte.
»Sie haben die Tasche doch nicht gekauft, damit ich Sie umarme, oder?«
»Aus welchem Grund denn sonst?«
»Aus einem anständigen natürlich.«
Jack antwortete nichts, er sah Ricarda nur innig an.
Sie spürte, dass ihr Herz nun schneller klopfte und eine unendliche Freude in ihr aufstieg. Ich hätte jetzt wirklich nichts dagegen, wenn er mich küssen würde, gestand sie sich ein.
Ein lauter Ruf zerstörte diesen magischen Moment.
»Mr Manzoni!«
Es war Tom Kerrigans Stimme, untermalt von Pferdewiehern.
Alarmiert stürmte Jack aus dem Salon. Ricarda folgte ihm.
Der Vormann war nicht allein gekommen. Zusammengesunken saß Nick Hooper auf einem Pferd, dessen Zügel Kerrigan an seinem Sattel festgemacht hatte.
»Um Himmels willen«, presste Ricarda hervor. Im Licht, das aus dem Haus fiel, konnte sie nicht genau erkennen, welcher Art seine Verletzung war. Aber sie sah deutlich, dass eines seiner Hosenbeine blutgetränkt war.
»Hooper hat es beim Kontrollritt erwischt«, berichtete Kerrigan. »Als er zu uns kam, konnte er sich nur noch knapp im Sattel halten. Ich habe ihm einen notdürftigen Verband angelegt, aber es ist wohl besser, das Fräulein Doktor schaut mal drauf.«
Ricarda lief zu dem Verletzten. In dessen Hose, die nur so vor Blut glänzte, entdeckte sie einen langen Schnitt. Die Wunde darunter musste bedrohlich groß sein.
»Bringen Sie ihn in die Praxis! Das muss ich vermutlich nähen.«
Kerrigan schwang sich aus dem Sattel. Er und Manzoni halfen Hooper vom Pferd.
»Hooper, können Sie mich hören?«, fragte der Farmer, doch der Verletzte stöhnte nur. Wahrscheinlich stand er kurz vor einer Ohnmacht.
»Schnell, kommen Sie!« Ricarda hatte inzwischen eine Petroleumlampe geholt, mit der sie den Männern den Weg wies.
Da ihre Untersuchungsliege noch nicht repariert war, betteten sie Hooper auf den Boden. Ricarda hatte schnell ein Laken ausgebreitet und entzündete nun weitere Lampen. Jetzt sah sie, dass der Verletzte leichenblass war.
»Er hat viel Blut verloren. Holen Sie mir bitte alles Verbandszeug, das Sie im Haus haben, Jack! Und Sie, Mr Kerrigan, halten bitte diese Lampe, damit ich mir die Wunde ansehen kann.« Mit diesen Worten griff Ricarda nach einer Schere und legte Hoopers Wunde vorsichtig frei.
Entsetzt stellte sie fest, dass sie noch größer war, als sie vermutet hatte. Hoffentlich hat er noch nicht zu viel Blut verloren!, ging ihr durch den Kopf. Doch dann wurde sie ganz ruhig.
»Das war einer von denen«, stöhnte Hooper. »Einer von den Schwarzen.«
Jack, der bereits wieder da war, versagte sich, ihn darauf hinzuweisen, dass dieser Ausdruck falsch war. »Wie ist es passiert?«, fragte er nur.
»Er kam plötzlich aus dem Busch und hat mir einen Hieb versetzt. Ich dachte, er macht mich kalt.«
»Und was haben Sie getan?«
»Natürlich den Revolver gezogen. Ich wollte den Kerl abknallen, aber er war bereits wieder verschwunden.«
Das hörte sich nicht nach einem Maorikrieger an. Die betrachteten einen Rückzug nämlich in der Regel als Schande. Erst recht, wenn sie sich für ein Stammesmitglied oder einen Freund rächen wollten.
»Ich fürchte, Sie müssen die Befragung verschieben«, schaltete sich Ricarda ein und bedeutete Jack, dass er zurücktreten solle.
»Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen etwas Äther«, wandte sie sich an ihren Patienten.
Hooper verneinte. »Ich halt das schon aus, Doc!«
»Wie Sie meinen«, entgegnete Ricarda. »Mr Kerrigan, leuchten Sie mir bitte!«
Als der Vormann die Lampe in Position gebracht hatte, desinfizierte Ricarda die Wunde mit Karbollösung, drückte die Wundränder zusammen, klammerte ein paar Gefäße und setzte mit geschickten Händen eine gerade Naht.
Nachdem
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