Sternendieb - Roman

es war geschlossen. Sonst gab es da unten nichts zu sehen. Nur das geschlossene Schott.
    »Fa-bel-haft!«, sagte sie lachend.
    Sie schaute Sarah an. Die stierte in das Bugfenster und sah gar nicht glücklich aus dabei.
    Tabea folgte ihrem Blick.
    Durch das fast erblindete Glas starrte jemand herein, kopfüber.
    Rasend, wütend scharrte er mit seinen Klauen, öffnete den schwarzrandigen Mund und fauchte.

50
    »Scher dich von meinem Schiff!«, schrie Tabea den Frasqui an.
    Einen Moment lang sah es so aus, als habe er sie gehört. Das braune Gesicht verschwand. Eine splissige Klaue kratzte noch über das gesprungene Glas, dann war sie fort.
    »Er ist abgestürzt!«, schrie Sarah.
    »Glaub das bloß nicht«, sagte Tabea. »Alice, sind wir dicht?«
    »IN DER FRONTSCHEIBE IST EIN LOCH, KÄPT’N«, erklärte das Schiffsego.
    »Ich meine, abgesehen davon«, sagte Tabea. Sie bemühte sich vergebens, einen Luftabzug in Gang zu setzen, damit der schweflige Nebel sich lichtete. »Kann dieses Ding irgendwo ins Schiff?«
    »DAS VORDERE FRACHTRAUMSCHOTT IST UNSICHER, KÄPT’N. ALS DU DAS FRACHTMODUL ABGESPRENGT HAST, HATTE DER FRASQUI BEREITS HAND AN DIE ZWEITE TÜR GELEGT.«
    »Kannst du es sichern, Alice?«
    »NEIN, KÄPT’N.«
    »Was kann ich von hier aus tun? Ich meine, von Hand.«
    »EIN VORSCHLAG. DU KANNST DIE TÜR ZUSCHWEIS-SEN.«
    »Ja!«, sagte Tabea. »Nein, verdammt …«
    »Warum nicht?«, fragte Sarah.
    »Das Gerät ist da, wo die Drohnen sind. Am Grund des Ginevra-Meers.«
    »EIN ANDERER VORSCHLAG. DU KÖNNTEST DIE TÜR ÖFFNEN UND SIE HERMTISCH WIEDER VERSCHLIESSEN.«
    »Ich mache das«, sagte Sarah.

    »Nein.« Tabea berührte mit der Hand Sarahs Netz. »Ich gehe. Sobald Alice die Triebwerke abgestellt hat.«
    Die Akrobatin reagierte ärgerlich. »Tabea! Ich kann wohl noch eine Tür auf- und zumachen! Was ich nicht kann, das ist ein Schiff fliegen!«
    »Schon gut«, sagte Tabea. »Ich trage Magnetstiefel.«
    »Er ist fort!«, protestierte Sarah. »Er ist da hinten abgestürzt!«, beharrte sie hitzig.
    Tabea schüttelte den Kopf. »Gib dir keine Mühe. - Alice? Ist das Ding noch da?«
    »ICH WÜNSCHTE, ICH KÖNNTE DIR HELFEN, KÄPT’N. ALLE EXTERNEN SENSOREN WURDEN ZERSTÖRT.«
    Sarah streckte einen verschmierten silbrigen Arm durch den nachlassenden Nebel. »Gib mir die Stiefel!«
    »Sie funktionieren nicht an deinem Anzug!«
    Mit einem ohrenbetäubenden, wütenden Zischen tauchte die Alice aus dem ätzenden Wolkenmeer auf.
    Jetzt schlug die elektromagnetische Brandung gefangener Mikrowellen an die gebeutelte Hülle der Kobold. Morbides seegrünes Licht erfüllte das Cockpit. Hoch oben dräute ein Ozean aus strähnigem Feuer, eine weit ausladende, züngelnde Plasmasuppe.
    »Ich gehe bloß die Tür schließen«, versprach Tabea. »Ich will nicht nach draußen.«
    »Alice!«, bettelte Sarah. »Lass sie nicht gehen!«
    »DEN ANORDNUNGEN DES KAPITÄNS IST UNBEDINGT FOLGE ZU LEISTEN, COPILOTIN ZODIAK.«
    »Du musst ihr irgendwas in den Tee getan haben«, sagte Tabea.
    »Ich habe sie nur aufgeweckt!«
    »So war Alice doch früher nicht«, sagte Tabea. Vielleicht, überlegte sie, hatte das Ego mehr Schaden genommen, als sie es wahrhaben wollte. Vielleicht war es der Stress, der die Alice zwang,
sich mit einem schlichteren Programmniveau abzufinden. Aber die Zeit würde für die Alice arbeiten. Sie würde nicht so ein hoffnungslos serviles Ego werden wie die Shinjatzu von Vera Shave. Sie würde sich schon wieder fangen.
    Aus der Alice würde schlimmstenfalls ein Haufen Schrott werden.
    Und zwar früher, als ihnen lieb sein konnte.
    Im nächsten Moment öffnete sich die Exosphäre der Venus und spie sie in den Raum aus.
    Hinter dem geborstenen Bugfenster senkte sich eine indigoblaue Nacht über die Welt. Als tauchte das Schiff allmählich in einen Teich schwach leuchtender Tinte hinauf. »Wie lange kannst du den Orbit halten, Alice?«
    »MIT WELCHER WAHRSCHEINLICHKEIT, KÄPT’N?«
    »Hundertprozentiger.«
    »ZWEI JAHRE.«
    »Und kämen noch heil wieder runter?«
    »BEI DIESER OPTION, ZWEI MONATE.«
    Die demolierte Sichtscheibe sog sich voll mit tintigem Raum und starrenden weißen Sternen. Der Lärm war erloschen. Unten verhüllte die Nacht das Gesicht der Venus.
    Die Alice war im Orbit.
    »Wo? Auf unserem alten Landeplatz?«
    »DAS HÄNGT VON DER GENAUIGKEIT AB, MIT DER WIR DAS ENTSPRECHENDE LANDEFENSTER TREFFEN«, sagte die Alice . »DIE GERINGSTE ABWEI…«
    »Schon gut. Alice! Mayday auf allen Kanälen.«
    »ZU