Sternenfall: Roman (German Edition)
Amber. »Kommen Sie, lassen Sie uns mit der Kometenbeobachtung anfangen.«
Kapitän Olafson lehnte sich in die Beschleunigungsliege zurück und starrte besorgt zum Jupiter an der Kuppel über sich hinauf. Das Bild des Planeten war nicht vergrößert, so dass der König der Welten geringfügig kleiner erschien als von der Erde aus betrachtet der Mond. Drei der Jupitermonde waren an einer Seite des Planeten aufgereiht. Zwei waren so groß, dass sie deutlich als Scheiben zu erkennen waren, während der dritte noch ein rötlicher Lichtpunkt war. Doch was Karin Olafson Sorgen machte, war weder der Planet noch seine Monde. Was sie beschäftigte, waren die wohlbekannten Strahlenrisiken des Jupitersystems.
Wie die Erde besaß auch der Jupiter ein Magnetfeld, das Partikel des Sonnenwinds einfing, sie konzentrierte und zu Strahlungsgürteln formte. Da das Magnetfeld des Jupiter weitaus stärker als das der Erde war, war auch sein Strahlungsgürtel bedeutend ausgedehnter und stärker – an manchen Stellen 10.000-mal so stark wie der der Erde. Als die erste Raumsonde, Pioneer 10 , das Jupitersystem durchquert hatte, war sie einer Strahlung ausgesetzt gewesen, die das Hundertfache der für einen ungeschützten Menschen tödlichen Dosis betrug.
Die Van-Allen-Gürtel der Erde wurden häufig als den Äquator umkreisende alte Autoreifen beschrieben. In Wahrheit jedoch war die ringförmige Strahlungsregion keineswegs symmetrisch. Der Sonnenwind und die magnetischen Felder der Sonne trugen gemeinsam dazu bei, die Strahlung über der Tageshemisphäre auszudünnen, während sie sie in mehreren Planetendurchmessern Entfernung über der Nachthemisphäre verstärkten. Das Bild, das sie sich vorstellte, war ein Boot, das im munter dahinfließenden Fluss des Sonnenwinds vor Anker lag. Die Strömung warf eine kleine Bugwelle auf, ließ dem Heck jedoch ein langgestrecktes Kielwasser folgen.
Das Gleiche galt für den Jupiter. Die Strahlungsgürtel des Planeten durchmaßen über der sonnezugewandten Seite nur wenige Planetendurchmesser, breiteten sich auf der Nachtseite jedoch Millionen Kilometer weit aus. Die Folge davon war, dass Callisto während zwölf von sechzehn Tagen in einer Niedrigstrahlenregion umlief. Die restliche Zeit über war der Mond in einen unsichtbaren tödlichen Nebel gehüllt. Diese Tatsache vor allem machte die Navigation im Jupitersystem für Schiffsführer so quälend.
Kapitän Olafsons erstes Problem betraf das Ansteuern von Callisto. In sechs Tagen würden sie während des Abbremsvorgangs bis auf eine Million Kilometer an Jupiter herangekommen sein. Wenn sich ihre Fahrt erst einmal verlangsamt hatte, würden sie um die Riesenwelt herumschwingen, um Callisto von rückwärts und unten her einzuholen, und dann mit dem Mond weit über der Tageshemisphäre und den Strahlungsgürteln zusammentreffen. Wenn sie jedoch hinter dem Planeten vorbeiflog, würde die Admiral Farragut ins Herz einer der stärksten Strahlenregionen des Jupiter eintauchen.
Die Abschirmung des Frachters reichte zwar für die meisten Zwecke aus, war jedoch völlig unzureichend, um die Besatzung vor der Jupiterversion der Van-Allen-Gürtel zu schützen. Zum Glück hatten die Schiffsdesigner für diesen Fall vorgesorgt. Aus Strahlenschutzgründen hatten sie den Kontrollraum in die Mitte des Habitatmoduls gelegt und mit den schweren Trägern des Stützrahmens umgeben. Hinter dem Kontrollraum befand sich ein gleichermaßen gut abgeschirmter Raum, der ›Sturmbunker‹ des Schiffes, in den sich die Besatzung während der Strahlungsstürme zurückziehen konnte. Für die Kometenexpedition war der Sturmbunker mit Kälteschlaftanks ausgerüstet worden. Und während die Passagiere und die Crewmitglieder die meiste Zeit über in den Außendecks lebten und arbeiteten, würden sie sich während des Flugs durch den Strahlungsgürtel des Jupiter dorthin begeben.
Die Passagiere und die Crew würden während des Durchflugs gut abgeschirmt, wenn auch ein wenig beengt sein. Doch die empfindlichen Elektronikelemente des Schiffes waren völlig ungeschützt. Sie würden die Strahlung aushalten müssen – und nicht nur einmal.
Der Einsatzplan sah für die Admiral Farragut dreimaliges Eintauchen in die Strahlungsgürtel des Jupiter vor. Der erste Sturm würde bei der Ansteuerung von Callisto über sie hereinbrechen, der zweite, wenn sie den Mond auf seinem Flug durch die Nachthemisphäre begleiteten; der dritte, wenn sie das System mit dem Kometen zusammen
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