Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)
mich erkennt. Damit hast du Fürst Schaschellon einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Eine solche Geisel bekommt ein Trottel wie er nicht alle Tage auf dem Silbertablett serviert. Warum wartest du also nicht, bis du die Angelegenheit aufklären kannst. Dann lassen sie dich frei und du wirst sicher reich entlohnt.«
»Fertig?«, fragte Kanturiol ungeduldig. Odira blieb still. »Ich hatte nie die Absicht, dich Fürst Schaschellons Schergen auszuliefern. Und wenn du ehrlich zu dir bist, weißt du das. Aber offensichtlich ist der Trottel, wie du deinen fürstlichen Nachbarn titulierst, auf die gleiche Idee gekommen wie dein Vater …«
»Wie kommst du darauf!« Unwillkürlich war sie lauter geworden. Der Wächter zuckte leicht. Offensichtlich war er doch kurz eingeschlafen. Er blickte zu ihnen herunter, aber sie verhielten sich mucksmäuschenstill und taten, als würden sie tief schlafen. Einige Minuten später sank das Kinn des Wächters wieder auf seinen Brustharnisch.
»Sie bereiten einen Überfall auf unser Land vor. Was heißt, bereiten ihn vor«, korrigierte sich Odira sofort, »sie haben die Grenze ja längst überschritten …«
»Ja«, erwiderte Kanturiol, »aber aus einem anderen Grund. Schaschellon mag ein Trottel sein, aber so dumm ist er nicht, einen echten Angriff auf das Herrschaftsgebiet deines Vaters zu wagen. Ich dachte, dir wäre auch aufgefallen, dass wir nicht die einzigen Gefangenen in diesem Lager sind …« Ein leises Seufzen antwortete ihm. Es klang bejahend.
»Soldaten des Kazan gefangen zu setzen, das ist der Gipfel des Hochverrats.«
»Ich würde dir zustimmen, wenn ich die Hoffnung hätte, dass es den Kazan kümmern würde, was mit seinen Leuten geschieht«, flüsterte Odira.
Jetzt verschlug es Kanturiol für einen Moment die Sprache. Für ihn war der Kazan keine Person, sondern eine Institution. Es fiel ihm schwer, über ihn genauso zu denken wie über jeden anderen auch. Er schluckte. Vielleicht hatte Odira recht. Er hatte sich zu viel vorgenommen. Sein Vorhaben war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Er hätte nicht tun dürfen, was er aus falsch verstandener Loyalität getan hatte. Aber jetzt war es zu spät. Sogar zu spät, um noch Bedauern für das, was geschehen war, zu empfinden.
»Egal«, erwiderte er leise. »Sie sind der Beweis dafür, worum es Schaschellon geht. Auch er will Zugriff auf die heiligen Affen und sich den Tempel in sein Herrschaftsgebiet einverleiben …«
Er spürte, wie sich Odiras Kopf langsam bewegte.
Sie stimmt mir zu , dachte er überrascht. Noch einmal verschlug es ihm die Sprache.
»Und wie willst du es anstellen, nicht nur aus diesem Loch, sondern auch aus diesem Lager herauszukommen …« Ihre Stimme klang irgendwo zwischen gelangweilt und genervt. Es störte ihn nicht.
Leise erläuterte er ihr seinen Plan …
*
Der großflächige Raum hinter dem Schott war voller Sklaven, von denen viele geschäftig hin und her eilten. Andere jedoch saßen oder lagen müßig in alten Sitzschalen herum oder lümmelten auf breiten, mit einer puddingartigen Kunststoffmasse gefüllten Kissen. Der Widerspruch zwischen der Unruhe einerseits und dem Nichtstun andererseits konnte nicht überdecken, dass die Atmosphäre in diesem erstaunlich sauber wirkenden Raum von gepflegter Langeweile erfüllt war.
Milan D’aerte fiel Dana sofort auf. Er war der einzige von allen Anwesenden, der ein weit geschnittenes, bequemes Gewand trug, das vom Aussehen an eine altrömische Tunika erinnerte.
Als Sklavenführer muss er bei seinen Herren einen starken Eindruck hinterlassen haben , überlegte Dana, wenn sie ihm derartige Privilegien zugestehen. Zumindest in einem wesentlichen Punkt schienen sich die Morax auf D’aerte verlassen zu können. Er hält den Laden am Laufen … Und zwar so reibungslos, dass sie der Rest nicht kümmert!
»Bleib hier stehen«, befahl der Kastrat und watschelte davon.
Ein kurzer Blick zurück auf Dana, die wie angewurzelt da stand, überzeugte ihn von der Willfährigkeit der Sklavin. Sie sah, dass sich die wabbeligen Massen des Eunuchen zu Milan D’aerte hinabbeugten. Mit spitzen Lippen flüsterte er dem Sklavenführer etwas ins Ohr. Ein kurzer Blick aus tief liegenden Augen schoss zu Dana, dann wandte sich der J’eebem-Pate wieder an den Kastraten. Der hatte sich inzwischen neben seinen Herrn gekniet und schien ihm etwas wort- und gestenreich zu erklären. Ab und an nickte D’aerte und hob irgendwann die Hand. Sofort rannte
Weitere Kostenlose Bücher