Sternenfaust - 060 - Fluchtgedanken
täglich mit der Gleichgültigkeit und Brutalität der Morax konfrontiert wurde, war sie außerstande, so eine Einstellung nachzuvollziehen, besonders da sie jeglicher Logik widersprach.
Menschlicher Logik, Dana , erinnerte sie sich selbst. Aber die Morax denken nun einmal in vielen Dingen vollkommen anders.
Schließlich glaubte sie, den Grund für diese gleichgültige Haltung zu begreifen. Im Denken und Fühlen der Morax existierte nur eins: die Morax und ihre Bedürfnisse. Was sie nicht mehr brauchten, war »selbstverständlich« auch für niemand anderen mehr von Nutzen. Mitgefühl, Mitleid oder Rücksichtnahme waren Begriffe, die es in ihrer Gefühlswelt nicht gab. Dana war sich fast sicher, dass diese Worte sogar in ihrer Sprache fehlten. Atraan allerdings schien eine Ausnahme zu sein.
Sie erinnerte sich an eine ihrer Dozentinnen an der Akademie, die Xenopsychologie unterrichtet hatte. Zwar wusste man damals noch längst nicht annähernd so viel über J’ebeem, Kridan, Starr und Mantiden wie heute, aber die Frau hatte eins immer wieder betont.
» Sie dürfen bei Ihren künftigen Begegnungen mit Fremdrassen eins niemals vergessen, meine Damen und Herren. Die Fremden – wer immer sie sein mögen – sind Fremde. Auch wenn sie, wie die J’ebeem, äußerlich Menschen ähnlich sind, ist ihre Psychologie, ihre Mentalität, doch eine ganz andere. Sie haben eine vollkommen andere Gefühlswelt, andere Vorstellung von Ehre und Moral. Dinge, die für uns schwere und schwerste Verbrechen darstellen, sind für andere Völker unter Umständen der Inbegriff der Rechtschaffenheit. Ja, es mag sogar irgendwo dort draußen Rassen geben – und ich bin mir sicher, dass es sie gibt – denen manche oder sogar alle unsere Gefühle vollkommen fehlen. Die keine Liebe kennen, keinen Hass, kein Mitgefühl , denen sogar Freude und Trauer fremd sind. Ich weiß , hatte sie hinzugefügt, als sie die ungläubigen Gesichter ihrer Zuhörerschaft sah, das erscheint uns ganz und gar unvorstellbar, weil diese Dinge für uns die natürlichsten Gefühle der Welt sind. Aber eben nur für uns. Nicht zwangsläufig auch für Fremdrassen. Der langen Rede kurzer Sinn lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen, meine Damen und Herren: Beurteilen Sie niemals Angehörige eines Fremdvolkes nach menschlichen Maßstäben. Die einzig korrekte Messlatte für die Beurteilung fremder Wesen ist immer und ausschließlich deren Mentalität und Moral und nicht unsere .«
Und die Morax waren das beste Beispiel für die Richtigkeit dieser These. Nach ihren Maßstäben handelten sie vollkommen logisch, korrekt und nach den festgelegten Vorschriften ihres Volkes. Sie waren durch und durch gute Morax. Doch Dana fiel es schwer, derart großzügig von Wesen zu denken, die sie entführt, versklavt, geschlagen, in der Arena den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatten und durch die atomare Strahlung an Bord ihrer Schiffe permanent ihre Gesundheit gefährdeten, bis sie in absehbarer Zeit daran sterben würde.
Sie musste endlich weg von hier. Allerdings dämmerte ihr beim Anblick des zerstörten Planeten unter ihnen der schreckliche Verdacht, dass die Botschaft, die sie bei ihrem ersten Plünderungseinsatz hinterlassen hatte, von den Morax im Zuge ihrer »Bereinigung« vernichtet worden war und niemals die STERNENFAUST erreicht hatte.
Für einen Moment überkam sie tiefe Niedergeschlagenheit gepaart mit einem Gefühl von Sinnlosigkeit, dass sie einen Moment sogar vergaß, auf das zu achten, was Atraan tat, um den Jäger zu steuern.
Reiß dich zusammen, Dana! , befahl sie sich nachdrücklich. Noch bist du nicht tot! Und so lange du lebst, gibt es Hoffnung. Vielleicht schon bald, wenn du an ein Funkgerät herankommen kannst. Also pass auf und konzentriere dich auf die Bedienung des Jägers.
Sie zuckte zusammen, als Atraan mit einem Fluch wütend auf die Sessellehne trommelte und eins der zehnbeinigen Spinnentiere zerquetschte, die es an Bord der Moraxschiffe überall in Mengen gab. Dana hatte inzwischen herausgefunden, dass diese kleinen Tierchen etwas mit den Göttern der Morax zu tun hatten und Unglück brachten. Sie war beinahe geopfert worden, weil sie dank der Spinnchen für eine Unglücksbringerin gehalten worden war.
»Ich hielt diese Tiere bisher für harmlos«, sagte Dana vorsichtig. »Sind sie doch gefährlich? Weil ihr sie so vehement vernichtet. Dabei haben sie doch etwas mit euren Göttern zu tun. Oder nicht?«
Atraan grollte kurz, und Dana hoffte, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher