Sternenfaust - 101 - Der Weltraumfriedhof (2 of 2)
All gewollt, hatte das Universum erleben, es spüren und am eigenen Leib erfahren wollen. Dafür hatte er die Erde einst verlassen; genau dafür hatte er überhaupt erst auf den Frachtern angeheuert.
Und nach vier Jahren hatte sich der idealistische Träumer, jener junge Mann, der er einst gewesen war, wieder gemeldet – ganz hinten in seinem Kopf und so leise, dass Mike ihn zunächst kaum gehört hatte. Doch dann war er lauter geworden. Er hatte Zweifel gesät und sein Denken beeinflusst. Hatte Fragen gestellt, die der Frachter-Mike nicht hatte beantworten können. Einfache Fragen noch dazu. Peinlich einfache Fragen.
Bist du zufrieden?, war eine davon gewesen. Mike hatte eine halbe Nacht wach gelegen und versucht, sie so zu beantworten, wie es sein Verstand von ihm erwartet hatte: mit einem Ja.
Doch es war keins gekommen.
Bist du da, wo du hinwolltest? Noch so eine Frage. Mike hatte alle Zelte hinter sich abbrechen müssen, um in seinem Job effizient funktionieren zu können. Ein Leben als freier Mechaniker, der immer wieder das Schiff, immer wieder den Arbeitgeber, immer wieder die Route und den Aufenthaltsort wechselte, hatte es ihm vier Jahre lang nahezu unmöglich gemacht, zwischenmenschliche Kontakte aufrechtzuerhalten, die über mehr als den Kreis der aktuell anwesenden Menschen hinaus gegangen waren. Es mochte schon sein, dass Mike in dieser Zeit faktisch dort gewesen war, wo er sein wollte – geographisch gesehen. Aber emotional? Wohl kaum. Abermals war ihm keine Antwort eingefallen, die seinen Handlungen und Entscheidungen nicht das Wasser abgegraben hätte. Und abermals hatte er schweigend wach gelegen und mit großen Augen in die Dunkelheit seiner kleinen Kabine gestarrt, hatte klaffende Löcher in die Nacht gefragt.
Bist du da, wo du bleiben möchtest? Bist du der, der du bleiben möchtest?
Nein!
Also war er gegangen. Er hatte seine Karriere an den Nagel gehängt und dem Leben als Frachter-Mike ein Ende gemacht. Stattdessen hatte er das getan, was er, wie er nun wusste, von Anfang an hätte tun sollen: Er war zum Star Corps gegangen und hatte diesem seine Dienste, seine berufliche Expertise angeboten. Und niemand war überraschter gewesen als Mike, als das Star Corps ihn tatsächlich genommen hatte.
Drei Monate war es nun her, seitdem er seine mehrtägige Basisausbildung für den Dienst an Bord eines SC-Schiffes beendet hatte. Eine Umschulung, wie sie alle Quereinsteiger im niederen Dienst durchlaufen mussten. Und seitdem war es Mike Rossini mit jedem neuen Tag besser gegangen. Er hatte wahnsinniges Glück gehabt, auf die STERNENFAUST III berufen zu werden – die Geschichte der beiden Vorgängerschiffe dieses prestigeträchtigen Prototypen mit dem großen Namen war ihm sehr wohl bekannt, und er empfand es als Ehre, seinen kleinen und bescheidenen Teil zu ihrer Fortführung beitragen zu dürfen.
Er hatte Glück mit den Kollegen gehabt, die ihn herzlich aufgenommen hatten. Mit Mourat Kenzo, seinem Vorgesetzten, der ihm in keinem Augenblick das Gefühl gab, als sei Mike als ehemaliger Frachtertechniker weniger wert als alle anderen aus seinem Team.
Und dann hatte er Emma getroffen, gleich hier an Bord und erst vor wenigen Tagen. Grüne Augen, dunkelblonde Haare. Ein äußerst liebevoller Kern hinter einer harten Schale. Eine Hawaiianerin und somit für ihn, der jahrelang nichts anderes als Container und Motoren gesehen hatte, so exotisch wie ein lachender Brax.
Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Mike Rossini das Gefühl gehabt, als sei er endlich irgendwo angekommen. Als könne er die Fragen von damals, die ihn der Idealist in seinem Kopf gestellt hatte, endlich so beantworten, dass seine Antwort und die Erwartungshaltung des Fragestellers übereinstimmten.
Bist du zufrieden?
Mike dachte an Emmas Lächeln, an ihren Geruch, ihre lockigen, widerspenstigen Haare. Und ob , dachte er. Und ob.
Zumindest war er es gewesen, bis zu dieser Explosion. Bis die Meldung im Hangardeck die Runde gemacht hatte, dass man mit Verletzten rechnete. Vielleicht sogar mit Verlusten, sowohl bei den drei Squad-Teams als auch bei den Jägern. Seitdem war Mikes Herzschlag aus dem Takt geraten. Genau wie seine Atemzüge.
Wieder und wieder blickte er sich um, schob Leute sanft beiseite und zwängte sich an ihnen vorbei. Gesichter überall, lachend, sorgenvoll, abgekämpft. Er sah Tyree, diese texanische Nervensäge aus dem »Fuzzy’s«. Weiter hinten, gleich neben seinem Jäger. Er besprach sich gerade mit
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