Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter
vielleicht unseriös gewirkt, doch zu ihm passte der Zopf, gemeinsam mit dem uniformähnlichen Anzug, der seinen Körper gut zur Geltung brachte. Jasper Mitchell war authentisch, und das konnte beileibe nicht jedes Mitglied des Rates von sich behaupten, Stylisten und Typberater hin oder her. Zu seiner Authentizität gehörte auch seine direkte Art, die Wanda immer wieder an sich zweifeln ließ. Mit ihm konnte man nur direkt reden – nichts hasste er so sehr wie diplomatische Winkelzüge und Ausdrücke.
Die dunkelhäutige Frau wiegte bedenklich den Kopf. »Ich soll also nach Kridania fliegen? Und dabei Wachen mitnehmen, Marines , ganz so, als ob wir den Kridan plötzlich nicht mehr vertrauen?«
»Auch der Raisa hatte Wachen bei sich, als er die Solaren Welten besuchte. Ich bin mir sicher, er wird Verständnis dafür aufbringen. Zumal das Protokoll es verlangt und die jüngsten Berichte der GalAb es anraten. Das kridanische Volk scheint nach dem Attentat auf General Daren-Kan eine gewisse Animosität gegen die Menschheit zu hegen. Der Raisa hat speziell nach Ihnen gefragt, Ndogo. Anscheinend haben Sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen und die Betreuung des Raisa hier in den Solaren Welten hervorragend gemeistert. Ich hatte auch nichts anderes von Ihnen erwartet.«
So, wie Mitchell das sagte, wusste Wanda nicht, ob sie es als Lob werten konnte. Der Mann schien in ihrem Fall Höchstleistungen vorauszusetzen.
»Ich fliege gerne nach Kridania, wenn der Raisa dies wünscht, und Kalpren Suresh kann mich auch gerne begleiten, aber …«
»Ihr Shuttle zum Raumhafen kommt in sechs Stunden.«
»Aber«, meinte Wanda lauter. »Ich werde keine Marines mitnehmen! Ich bin nicht der Raisa, sondern eine Botschafterin!«
Jasper Mitchell kniff die Augen zusammen. Sein Blick war bohrend. »Sie scheinen die Lage gründlich zu unterschätzen, Botschafterin. Ich beabsichtige nicht, Sie vor dem Raisa oder Satren-Nor zu schützen, wohl aber vor dem einfachen Volk. Bereits vor Jahren geriet Dana Frost bei einem Staatsbegräbnis auf Kridania schwer in Bedrängnis. Seit dem Attentat auf General Daren-Kan ist die Lage ausgesprochen brisant, auch wenn wir die Kridan natürlich über die Machenschaften der J’ebeem informiert haben. Von daher bestehe ich auf die Marines. Und jetzt seien Sie so gut und packen Sie Ihre Sachen. Ihr Aufenthalt auf Kridania ist viel zu wichtig, um noch lange zu diskutieren.« Er drückte ihr einen Handspeicher in die Finger. »Darauf finden Sie alle Daten, die das sogenannte ›Wunder vom schwarzen Tümpel‹ betreffen. Sie haben mein völliges Vertrauen, diese Sache passend zu handhaben.«
Wanda Ndogo ärgerte sich über seine rüde Art. Freundlichkeit von einem Mann wie ihm ist wohl zu viel verlangt.
Ihre Augen blitzten, sie packte den Datenspeicher und rauschte in ihrem langen, weinroten Gewand zum Ausgang des Büros. »Dann werde ich Sie nicht weiter belästigen, Sir«, meinte sie eisig. Langsam ging ihr Mitchells selbstgefällige Art entschieden auf den Geist. Im Hinausgehen war sie nicht sicher, ob er nicht schmunzelte, aber dennoch: sie war nicht seine Untergebene, sondern die stellvertretende Leiterin des Freien Diplomatischen Corps. Sie war froh, als die Türen des Büros sich nahezu lautlos hinter ihr schlossen. Sie betrachtete den Datenspeicher in ihrer Hand. Dabei dachte sie an ein anderes interstellares Individuum über das sie sich in den letzten Monaten geärgert hatte.
Sun-Tarin. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns schon so bald wiedersehen …
*
Kridania, Matlanor, Tempelbezirk, Mat-Lor
Saha-Fera war nervös. Sie kniete im Dar-Ran, dem heiligen Tempelnebenraum in dem Zeremoniengewänder, heilige Waffen und andere Requisiten für die teils aufwendigen Predigten gelagert wurden. In Matlanor, im größten aller öffentlichen Tempel, dem Mat-Lor, hatte prinzipiell jeder Kridan das Recht zu predigen, er musste lediglich der Priesterkaste angehören. Im Gegensatz zum heiligen Tempel des Raisa fasste dieser Tempel mehrere hundert Kridan und besaß an seinen Portalen gleich siebzehn der sichtgeschützten, nierenförmigen Sandbecken, in denen sich die Eintretenden unter der Aufsicht eines Priesters rituell reinigen konnten. Jedes Sandbad war einem der siebzehn Heiligen gewidmet, die vor Urzeiten im Namen des ersten Raisa ausgezogen waren, um den Glauben zu verbreiten. Predigten gab es den ganzen Tag hindurch. Auch Satren-Nor hatte einst als unbedeutender Priester angefangen,
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