Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter
Welt verschwamm.
*
Der Raisa saß wie erstarrt auf seiner Sitzbank, die Knie gegen das Kniebrett gedrückt, und bemühte sich, den Schnabel geschlossen zu halten.
Was war das eben? Sie war so unglaublich schön! Ein Strahlen ging von ihr aus, als ob … Er fand keine passenden Gedanken und spürte nun auch, dass eine laute Stimme auf ihn einredete.
»Seran-Pakor! Seran-Pakor!« Satren-Nor zischte ihn wütend an. »Wo bist du bloß mit deinen Gedanken? Der Mar-Tanjaj wartet auf deine Antwort!«
Langsam erkannte der Raisa all die schnabeligen Gesichter um sich herum, die ihm vertraut waren. Das innere Bild von Saha-Fera verblasste. »Vergib mir, Miru-Raisanin, aber diese Kridan hat eine betörende Ausstrahlung.«
Satren-Nor klackte verärgert mit dem Schnabel. »Betörend sagst du? Das ist wohl kaum das angemessene Wort!«
»Euer Heiligkeit!«, Kass-Feors Augen glänzten, als habe Saha-Fera darin mit ihrer Rede ein Feuer entzündet. »Was sollen wir tun? Was sagt ihr? Wenn die Eierlegerin recht hat, müssen wir den Schnabellosen zuvorkommen! Wir müssen einen Präventivschlag ausüben, solange sie noch nicht damit rechnen!«
Seran-Pakor schüttelte entschieden den Kopf. »Wir haben ein diplomatisches Problem, wenn das stimmt, und ich habe es mir erlaubt, bereits eine hohe Botschafterin samt Gefolge von den Solaren Welten anzufordern, ebenso wie ein Mitglied des Regierungsrates. Es wird keinen Krieg geben, Kass-Feor! Sorgen Sie lieber dafür, dass diese Sache innerhalb des kridanischen Volkes unter Verschluss bleibt!« Die Stimme des Raisa war nun ungewohnt scharf und zischend. »Wenn die J’ebeem von dieser Sache erfahren, könnten sie sie für ihren Vorteil nutzen und das lasse ich nicht zu! Ich werde vorerst keine Feindschaft mit den Menschen dulden!«
Kass-Feor senkte den Schnabel. »Wie Ihr wünscht, Euer Heiligkeit.« Zerknirscht wandte er sich ab.
Seran-Pakor sah in die glänzenden Augen von Satren-Nor. Der Prediger schien zum ersten Mal seit langem sprachlos zu sein.
»Eine klare und eindrucksvolle Ansage, Euer Heiligkeit«, meinte statt dessen Kassil-Nur, der Oberste des Bolpor. Der Chef des Geheimdienstes war von Satren-Nor in den Tempel bestellt worden und hatte sich bisher zurückgehalten. »Auch ich schätze den Zwist mit den Schnabellosen nicht.« Es war ein offenes Geheimnis, dass der Tüftler und Wissenschaftler Kassil-Nur am liebsten selbst an der Technik der Verfluchten geforscht hätte. »Doch ich muss Euch auch sagen, Euer Heiligkeit, dass es keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung gibt. Saha-Fera war die ganze Zeit über allein im Tempelnebenraum.«
»Sie könnte von Kass-Feor beeinflusst werden«, mutmaßte Satren-Nor. »Auf jeden Fall steht fest, dass sie keine bösen Absichten hat und diese Worte ganz sicher nicht die ihrigen waren.«
»Aber von wem kommen sie dann?« Kassil-Nur blinzelte mit seinem einen Auge. »Von einem Priester? Das wirkt unglaubwürdig. Ein – Tanjaj, ja. Diese Kaste will den Krieg.«
»Und was …«, meinte Sun-Tarin leise hinter ihnen. »Was wäre, wenn es wirklich der Eine war, der über Seine Botin zu uns sprach? Wären wir dann nicht allesamt Ketzer, die den achtfachen Tod verdient hätten?«
Eine Weile schwiegen sie. Der Raisa musste wieder an die leuchtenden grünen Augen Saha-Feras denken, an ihre stolze Erscheinung, ihre anmutigen Bewegungen und das Strahlen, das sie umgab.
»Wir werden Saha-Fera ihre Reden nicht verbieten«, beschloss er mit einem warmen Gefühl im Bauch. »Doch wir werden die Überwachung um sie herum verschärfen. Sun-Tarin, vielleicht erfährst du etwas von ihrer Schwester. Sie ist Kriegerin wie du.«
Sun-Tarin klackerte zustimmend mit dem Schnabel.
Der Raisa sah zu dem leeren Ferka-Brett hinauf. Noch hatte niemand gewagt, den Platz von Satren-Nor und Saha-Fera einzunehmen. Wenn es doch Gott ist, der über Saha-Fera zu uns spricht? Er wünschte sich ein solches Zeichen. Ein eindeutiges Zeichen, das keinen Zweifel mehr zuließ.
Wenn es Gott ist, und Er das Ende des Friedens wünscht, dann werde ich Ihm folgen müssen.
*
Sun-Tarin kratzte vier Mal über die Beschichtung des Türflügels, ehe er eintrat. Man hatte Saha-Fera und ihrer Schwester ein großes Gemach im Gästetrakt des Palastes hergerichtet. Dies war eine besondere Ehre, denn selbst Botschafter von anderen Völkern residierten üblicherweise in einem eigenen Gästetrakt außerhalb des Palastes.
Sun-Tarin trat ein und stand einer besorgten Kiri-Tan
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