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Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter

Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter

Titel: Sternenfaust - 111 - Die Stimmen der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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gegenüber, die ihn aus roten Augen vorwurfsvoll musterte und zwei Krallen um den Schnabel legte, zum Zeichen, er solle still sein. Der Tanjaj im schwarzen Büßergewand verstand auch warum: Saha-Fera lag von einer dünnen Decke eingehüllte auf einem Sembran, einem ovalen Möbelstück, das zum Sitzen und Liegen dienen konnte. Sie schien zu schlafen.
    Sun-Tarin sprach flüsternd. »Kiri-Tan, kann ich dich sprechen?«
    Die Wächterin sah sich um – anscheinend hielt sie nach dem Tugendwächter Kales-Sun Ausschau, doch der war im Moment nicht zu sehen. Sie kratzte leicht mit dem rechten Fuß, was einem menschlichen Nicken gleich kam. Geschmeidig griff die Kridan nach einem Tarom-Überwurf, legte ihn über ihr weites, dunkelbraunes Gewand mit den drei Zierdolchen an der Seite und eilte hinter Sun-Tarin hinaus in den prunkvoll ausgestatteten Palastgang. Sie gingen schweigend einige Schritte. Kiri-Tan blickte immer wieder ein wenig unbehaglich an die Wände, die Bilder der vergangenen Raisa und der siebzehn Heiligen zeigten. Jeder Raisa wollte sich selbst so nah wie möglich am Ersten Raisa und seine siebzehn besten Diener und Krieger darstellen, um seine Herrschaft über diesen Kult zusätzlich zu legitimieren. Alle Bildstrecken waren in edle Metalle gefasst und mit einer Unzahl sündhaft teurer Utensilien wie Zierdolchen, Kleidungsstücken und Zierrat in gläsernen Vitrinen umgeben.
    »Ich kann mich nicht an diesen Prunk gewöhnen«, erklärte Kiri-Tan. Ein kleiner missbilligender Trillerlaut entfuhr ihrem Schnabel. »In unserem Kloster war alles ganz anders.«
    »Ich gewöhne mich auch nicht daran«, erklärte Sun-Tarin freimütig. »Ich habe lange Zeit in einem Kloster der innersten Einkehr auf Dornarat verbracht. Weißt du warum?«
    Kiri-Tan nickte. »Ich hörte von deiner Tat. Du hast Satren-Nor gerettet und musstest dafür einen göttlichen Schwur brechen und dein eigenes Blut töten.«
    »Ich habe Gott zuwider gehandelt. Ich verstehe nicht, dass Satren-Nor dies nach nur fünfzehn Jahren Buße vergeben kann.«
    »Gott ist gütig«, erklärte die Kridan mit den roten Augen. Sie blieb unter einem Bild Sempan-Dors stehen. »Doch nun sage mir, warum ich mit dir kommen sollte, Sun-Tarin? Der Tugendwächter wird wütend sein, wenn er es erfährt. Er wird mir Unzucht vorwerfen.«
    Sun-Tarin senkte beschämt den Schnabel. »Das habe ich nicht bedacht, Kiri-Tan.« Vielleicht hatte er tatsächlich zu lange unter Mönchen gelebt. Er war weltfremd geworden. »Nun, der Raisa bat mich dich zu fragen, ob dir an Saha-Fera seit dem ›Wunder vom Schwarzen Tümpel‹ irgendetwas aufgefallen ist. War sie besonders oft allein? Hat sie dir erzählt, dass jemand Einfluss auf sie nimmt?«
    Kiri-Tan machte eine abwehrende Geste. »Nein. Nicht, dass ich wüsste. Ich verstehe, wonach ihr sucht, doch ich kann nicht sagen, dass irgendjemand meine Schwester beeinflussen würde oder sie bereits vor dem ›Wunder vom Schwarzen Tümpel‹ manipuliert hat. Einzig …« Sie schwieg kurz und verstummte.
    »Einzig was?«, hakte Sun-Tarin aufmerksam nach.
    »Nun …« Kiri-Tan senkte die Stimme. »Kales-Sun …« Sie verstummte. »Es ist nicht gut, etwas Schlechtes über einen Tugendwächter zu sagen«, krächzte sie leise. »Besonders nicht in einem Palast, dem der Bolpor Ohren verleiht.«
    Sun-Tarin machte eine zustimmende Geste. Er hatte in seiner Laufbahn selbst mit dem ein oder anderen Tugendwächter zu tun gehabt. Ohne, dass er es wollte, stieg vor ihm ein altbekanntes Bild auf: Er lag nach einer Schlacht auf der HEIDENTÖTER verletzt danieder und einer der Tugendwächter trat mit einem Gnadendorn in der Klaue zu ihm: »Willst du eine Belastung für die Gemeinschaft der Gläubigen sein oder deinem Herrn ein letztes Mal dienen, indem du Ihm die Kraft deiner Seele gibst und in Ihn eingehst – auf dass du Teil der Göttlichen Ordnung wirst in Ewigkeit?«, murmelte er.
    Sun-Tarin schüttelte sich leicht, um die Schatten der Vergangenheit zu vertreiben. »Nun, ich verstehe ganz genau, was du meinst und ich danke dir für das, was du mir anvertraut hast. Wie geht es Saha-Fera derzeit?«
    »Sie ist erschöpft. Die täglichen Predigten schwächen sie. Ich bin dankbar, dass der Raisa meiner Schwester seine besten Ärzte zur Verfügung stellt und es ihr auch sonst an nichts mangelt.« Kiri-Tans Blick wanderte über Sun-Tarins Körper. »Vielleicht sollten wir uns ein andermal treffen? Nachts? Draußen im Park?« Ihre Schnabelgeräusche machten

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