Sternenfaust - 132 - Das Urteil des Raisa
Drohgebärden der Kridan diktieren.«
Mitchell sah nachdenklich in die Runde. »Was kommt als nächstes?«, meinte er schließlich. »Als nächstes fordern die Kridan, dass wir Trans-Alpha aufgeben. Dass wir das Wurmloch nicht benutzen. Dass wir die Kolonien am Grenzgebiet zu ihrem Reich aufgeben. Wollen wir da jedes Mal klein beigeben, nur um einen Krieg zu vermeiden?«
Für einen Moment herrschte Schweigen. Allen war klar: Wenn man den Forderungen des Raisa nicht nachgab, konnte es einen neuen Krieg geben.
Den dritten Kridankrieg!
Zu viele Verluste hatte es in den Kriegen zuvor gegeben. Jeder in diesem barock eingerichteten Raum wusste, was für fanatische Krieger die Kridan waren. Durch Selbstmordattentate und unerhörte Todesverachtung glichen sie ihre Schwächen aus.
Wenn sie überhaupt jemals schwächer waren als wir , dachte Mitchell.
»Wir stecken in einer Zwickmühle. Einerseits können wir uns von den Kridan nicht unser außenpolitisches Handeln diktieren lassen. Wir haben das Recht, selbst zu bestimmen, mit wem wir uns verbünden und mit wem nicht. Sonst wird uns niemand mehr als außenpolitischen Partner ernst nehmen können.«
Zustimmendes Gemurmel erklang.
»Andererseits fürchtet jeder hier einen kommenden Krieg. Ich schlage vor, wir stimmen ab, was wir dem Raisa antworten. Geben wir den Kridan nach und verlieren unsere Selbstbestimmung, oder riskieren wir einen Krieg, der Millionen von Leben auslöschen kann?«
Mitchell war sich dieses Mal selbst nicht sicher, was ihm lieber war. Er wollte keinen weiteren Krieg. Nicht nach der Auseinandersetzung mit den Alendei und den Basiru-Aluun. Es sollte endlich Frieden herrschen während seiner Regierungszeit.
Er strich sich gedankenverloren über die Narbe an seiner Stirn.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich mich vor den Reden des Raisa ducken würde. Vielleicht würden die Kridan uns ein Einlenken als Schwäche auslegen. Eine Schwäche, die ebenso leicht in einen neuen Krieg münden kann.
Bisher hatte der junge Raisa sein Urteil über die Zukunft seines Reiches nicht gefällt. Aber er konnte es jederzeit verkünden. Glaubte er an die heiligen Schriften der Kridan, die den Krieg als Normalzustand beschworen? Oder hatte der Prediger Satren-Nor ihm die Vorteile eines dauerhaften Friedens vermitteln können? Immerhin währte der bestehende Frieden nun schon weit über fünfzehn Jahre, auch wenn es immer wieder zu Krisen gekommen war.
Verfluchte Geierköpfe , dachte Mitchell in einem Anflug von Zorn. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn die Kridan gar nicht gewusst hätten, dass derzeit Verhandlungen auf Ebeem anstanden.
Ihr Geheimdienst arbeitet tadellos. Das muss man ihnen lassen.
»Wer ist dafür, dass wir unsere Verhandlungen mit Ebeem fortsetzen?«
Josef Schüsslers Hand schnellte in die Höhe. Weitere Arme und Hände folgten. Der Ausgang der Abstimmung war knapp, aber gültig.
Mitchell nickte langsam. »Gut. Dann werde ich dem Raisa möglichst diplomatisch mitteilen lassen, dass wir nicht bereit sind, uns seinem Willen zu beugen. Hoffen wir, dass er seine Drohungen nicht wahr macht.«
Der erste Vorsitzende stand auf. »Ich erkläre diese Sitzung für beendet. Danke für Ihre Anwesenheit.« Mit harten Schritten verließ er den Saal.
*
Erde, Regierungsgebäude
Keine zwei Stunden später sah Mitchell den Ersten Vorsitzenden des Diplomatischen Corps. Er hatte Vijay Gustaffson bereits vor der Ratssitzung informieren lassen, und einen Gesprächstermin vereinbart. Da das Diplomatische Corps nur wenige Hundert Meter neben dem Regierungsgebäude seinen Hauptsitz hatte, war diese kurzfristige Terminplanung möglich.
Gustaffson lächelte nicht, als er eintrat und sich ohne Aufforderung auf den freien Stuhl gegenüber von Jasper Mitchell setzte. Der hohe Sikh-Turban auf seinem Kopf verlieh ihm einen würdevollen Ausdruck. Mitchell musste daran denken, dass Gustaffson in der Zeit von 2250 bis 2254 Ratsmitglied für Äußere Angelegenheiten gewesen war. Zwar wäre ihm für die heikle Mission, die dem Botschafter bevorstand, Wanda Ndogo lieber gewesen, da sie einen persönlichen Bezug zum Raisa hatte, aber er vertraute Gustaffson voll und ganz. In Anbetracht der Möglichkeiten gab es keinen besseren Mann für diese Mission.
»Es ist also so gekommen, wie ich vorausgesagt habe?«, fragte Gustaffson mit dunkler Stimme nach. Der indischstämmige Mann musterte Mitchell herausfordernd.
Mitchell zog die Augenbrauen ärgerlich zusammen. Seine
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