Sternenfaust - 160 - Die Space-Oma
von Wolfgang Huber.
»Verunglückt«, murmelte sie nur mit tränenerstickter Stimme.
»Miss Wynford?«
»Meine Schwester ist verunglückt«, wiederholte Jane und deaktivierte die Kom-Verbindung.
Die nächsten Stunden waren grauenvoll. Jane klammerte sich an die winzige Hoffnung, jemand könnte Caress noch gesehen haben. Vielleicht hatte sie den Flug verpasst, war noch auf dem Mars, hatte es sich anders überlegt …
Immer wenn der Signalton für externe Kom-Anfragen erklang, hoffte Jane, es sei Caress, die sich wohlauf und gesund bei ihr meldete, mit einer ganz einfachen und einleuchtenden Erklärung dafür, weshalb sie bislang nicht hatte anrufen können.
Jane klebte an den Newstickern und Info-Kanälen. Keiner wollte Verantwortung übernehmen. Keiner wollte sagen, wie hoffnungslos die Suche nach Überlebenden wirklich war. Die Nachrichten kamen im Minutentakt und waren von den stets gleichen Floskeln und Formulierungen geprägt: »Die Suche dauert an«, »Nur wenig Hoffnung«, »Kaum noch Hoffnung«, »Ursachen noch nicht geklärt«, »Zunächst muss alles geprüft werden, bevor die Unfallursache …«, »Zu früh für Spekulationen«.
Jane schwankte zwischen Verzweiflung und Hoffnung.
Ihr Verlobter blieb die Zeit über bei ihr. Von der Hochzeit sprach niemand mehr.
Es sollte auch niemals zu dieser Hochzeit kommen. Diese Hochzeit, die ihre Schwester getötet hatte, wurde niemals nachgeholt. Jane blieb seitdem Mrs. Wynford.
Drei Wochen später wurde die Suche im Bergstromraum aufgegeben. Die Angehörigen der Opfer erkämpften zwar eine Fortsetzung der Suche, doch am Ende behielten all jene recht, die schon zuvor die Aussichtslosigkeit der Bemühungen behauptet hatten.
Es wurden nie Überlebende gefunden.
*
Gegenwart
»Vor zwanzig Jahren«, begann Commander Wynford, »habe ich meine Schwester bei einem Unfall verloren. Und ich gab mir die Schuld, weil ich sie überredet hatte, zu mir zu kommen. Ich hatte ihr sogar das Ticket gekauft. Das Ticket, das letztlich ihr Leben beenden sollte. Also schenkte ich ihr ein neues Leben. In der Figur von Cassandra Ford. Die geniale und erfolgreiche Wissenschaftlerin, Ehefrau und Mutter, Liebhaberin und Heldin. In meiner Fantasie durfte sie all das erleben, was meiner Schwester im wahren Leben durch meine Schuld versagt blieb. Captain Mulcahy, das Bild, das Sie auf meiner Kommode sahen, zeigte meine Schwester. Doch ich habe nie jemandem davon erzählt. Keiner weiß von der Verbindung zwischen Caress McClure und Cassandra Ford.«
»Und Sie?«, fragte Dana und deutete auf den Mann, der als Joe Mulcahy vorgestellt worden war.
»Oh, ich«, erwiderte der elegante Mann mit den langen Haaren und dem gepflegten Vollbart. »Ich bin der liebende Vater dieses wundervollen jungen Mannes, der noch immer mein ganzer Stolz ist. Auch wenn er ein verurteilter Mörder ist, der für eine Geheimorganisation mit dem Namen ›Ritter der GRAFSCHAFT‹ arbeitet und den Auftrag hat, Meister William zu töten. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Kindern verzeiht man kleine Sünden.«
Dana zog für einen Moment die Augenbrauen zusammen, schüttelte dann leicht den Kopf und rief ungläubig: »Was?«
»Oh, ich dachte mir, dass er davon nichts erzählt hat. Er ist ein recht verschlossener junger Mann.«
Das war alles zu viel. Dana hielt sich ihre kalten Hände an die heiße Stirn. Was sollte sie jetzt tun?
Der Türsummer gab ihr die Antwort. Sie würde als Nächstes »Herein!« rufen.
»Herein!«
Es war Commander Jake Austen.
»Commander, was gibt es?«, fragte Dana ungeduldig.
»Nun«, räusperte sich der Zweite Offizier an Bord der STERNENFAUST. »Nickie Berger befindet sich in meinem Quartier. Ich habe die Sicherheits-Crew schon alarmiert, und sie dürfte das Quartier inzwischen abgeriegelt und Nickie Berger festgenommen haben.«
»Nickie Berger?«, rief Dana. Vielleicht träumte sie ja noch immer. Die Szenerie kam ihr jedenfalls absurder vor als der Traum, den sie vor Kurzem gehabt hatte.
»Nickie Berger hat behauptet, überall im Schiff Nadlergranaten versteckt zu haben. Ich gehe aber inzwischen davon aus, dass dies ein Bluff war, sonst hätte sie diese längst gezündet. Sie wollte mich damit offenbar nur erpressen.«
»Erpressen?«, fragte Captain Mulcahy. »Was wollte sie erpressen?«
»Geheimhaltung!«, antwortete Austen. »Außerdem wollte sie, dass ich Sie töte, Captain Mulcahy!«
»Das reicht jetzt«, unterbrach Dana wütend das Gespräch und schlug leicht mit
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