Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung
schlafende Kangaara. Er hoffte, dass die zu erwartenden mentalen Energien sie nicht aufwecken würden. Schließlich sandte Turanor seinen mentalen Ruf nach Yonar in die Weite des Alls …
»Yonar!«
Nichts drang zurück in Turanors mentale Sphäre.
»Yonar! Die Zeit ist gekommen!«
Noch immer schwieg sein ehemaliger Freund.
»Yonar! Stelle dich mir, stelle dich deinem einstigen Weggenossen!«
Und dann erspürte Turanor das geistige Muster des Renegaten! Immer deutlicher – und auch drohender! – erwuchsen Yonars mentale Umrisse in Turanors innerer Wahrnehmung.
»Turanor!« , erklang endlich Yonars telepathische Stimme. »Der Augenblick ist nicht günstig. Wobei ich bezweifele, dass es überhaupt einen günstigen Augenblick gibt.«
»Glaubst du denn nicht, dass wir nach diesem Augenblick suchen müssen, Yonar? Dass wir uns um diesen Augenblick bemühen müssen, bevor unsere Welt zur Gänze in Scherben gefallen ist?«
Statt einer Antwort wurde Turanor von einer Welle des Zorns überschwemmt, die so heftig war, dass er ein Zittern nicht verhindern konnte. Er sah, wie sich Kangaara unruhig im Schlaf bewegte, und hoffte inständig, dass sie nicht aufwachte. Yonars Zorn-Impuls riss nicht ab, und Turanor versteifte seinen Oberkörper. Er würde dieser Welle standhalten, egal, wie lang sie auch dauerte.
Schließlich ebbte sie ab. Und sie verwandelte sich in etwas anderes – ganz langsam. So dauerte es eine Zeit, bis Turanor erkannte, dass Yonars mentales Aufbrausen der Sorge gewichen war. Der Sorge, die auch Yonar um das Schicksal der Alendei hatte.
»Vielleicht ist es noch nicht zu spät, Yonar. Wollen wir die Zukunft unseres Volkes wirklich durch einen Krieg entscheiden, der noch sehr lange währen und die Seelen aller Beteiligten zerrütten wird? Auch deine Seele hat Schaden genommen, Yonar. Du kannst dies nicht vor mir verbergen.«
»Ich wollte nie der Älteste unseres Volkes werden, Turanor. Doch jetzt, da nur schwache Alendei mich umgeben, ist es zu meiner Pflicht geworden, die Führung zu übernehmen. Deshalb gibt es nur einen einzigen Weg für mich, den Krieg vorzeitig zu beenden.«
»Wovon sprichst du?«
»Von einer Haanta’yo.«
Turanor zuckte zusammen. Dieser Vorschlag passte zu Yonar – zu einem Alendei, der in seinem Wahn bereit war, das eigene Leben hinzugeben. Die Haanta’yo war ein Tabu im Volk der Alendei und gehörte beinahe schon der Legende an. Wann es zum letzten Mal tatsächlich eine Haanta’yo gegeben hatte, war bei den Chronisten umstritten. In der neueren Zeit jedenfalls war es niemals wieder zu diesem geistigen Zweikampf auf Leben und Tod gekommen. Die einander umschließenden Mentalkreise der Alendei beruhten auf Austausch und Harmonie. Erst seit der Spaltung der Alendei war es auch zu aggressiven und gewalttätigen Konfrontationen gekommen. Zu Formen der Auseinandersetzung, die als längst überwunden gegolten hatten.
Turanor fasste sich. »Glaubst du wirklich, dass dein oder mein Tod den Alendei dienlich sein kann?«
»Und glaubst du immer noch, Turanor, dass dein Weg der richtige für unser Volk ist? Willst du bestreuen, dass die Hälfte – mindestens die Hälfte – der Alendei inzwischen hinter mir und dem Rat der Wahrung steht? Wenn du dies zugibst, musst du dich fragen, ob du das Richtige tust.«
»Der Zwist führte bei vielen Alendei zur Verwirrung. Viele wissen nicht mehr, was der rechte Weg ist.«
»Ich stimme dir zu, Turanor! Und ich frage dich: Was vermag die Unentschlossenen leichter zu einer Entscheidung zu bewegen als der weithin sichtbare Sieg des Stärkeren? Die Frage lautet: Turanor oder Yonar. Ist einer von beiden auf die andere Seite gegangen, existiert auch diese Frage nicht mehr. Ich bin bereit für eine Haanta’yo, denn ich bin bereit zu siegen. Ich bin bereit, das zu tun, was du verweigerst: Für mein Volk zu leben und zu sterben.«
»Der Rat des Allvolks wird sich nicht mit einer Haanta’yo einverstanden erklären.«
»Wer ist der Älteste der Alendei? Du bist es Turanor – noch! Dein Wort gilt. Wenn der Rat nicht einsehen will, dass die Haanta’yo der beste und kürzeste Weg ist, das Desaster der Unseren zu einem Ende zu bringen, dann wirst du als Ältester den Zweikampf einfach anberaumen! Der Rat müsste dich absetzen, um die Haanta’yo zu verhindern, doch ich sage dir, Turanor: Riskiere es! Ich verspreche dir, dass der Rat sich am Ende fügen wird.«
»Ich erkenne dich nicht wieder, Yonar. Früher hättest du eine Haanta’yo als
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