Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung
»Ich möchte nicht roh und unmenschlich erscheinen. Aber auch wir Menschen der Solaren Welten müssen in die Zukunft schauen. Wenn Sie – Turanor – diese Haanta’yo verlieren sollten, dann …«
»Es wäre mein Tod, Dana Frost.«
»Was würde dies für die Beziehung der Alendei zu den Solaren Welten bedeuten?«
»Wenn Yonar zum Ältesten ernannt würde, müssten wir wohl annehmen, dass er die diplomatischen Beziehungen zwischen unseren beiden Völkern abbräche.«
»Eben das befürchte ich auch.« Dana fasste sich ans Kinn. Yonars Sieg würde einen großen Rückschritt bedeuten. Die Solaren Welten müssten sogar mit Übergriffen der Alendei rechnen. Kein schöner Gedanke.
»Ich werde mich nun nach Helemaiu begeben«, ließ Turanor über Izanagi verlauten. »Möglicherweise werde ich vor Beginn der Haanta’yo noch einmal Kontakt mit Ihnen aufnehmen, Dana Frost. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
Turanor nahm seine Finger von Izanagis Stirn. Dann flimmerte die Luft und emittierte ein zartviolettes Leuchten. Im nächsten Augenblick war Turanor verschwunden.
*
Helemaii’nu, vor über 42.000 Jahren
Publius Nakamaatis, Furisto der Domäne Mindaan, stand an der Brüstung der Burgterrasse und war erschüttert. Eine brennende Grecco-Kugel nach der anderen wurde über die Mauer in die Stadt geschleudert. Die schwarzen Bälle aus Erdpech zogen Feuerschweife wie Sternschnuppen hinter sich her. Die Bürger von Mindaan – klein wie Spielzeugsoldaten von hier oben aus – hatten Ketten gebildet, die von den Brunnen zu den Brandherden reichten, und die Wassereimer gingen von Hand zu Hand. Dunkler Rauch lag über der Stadt, und das Schlagen der Trommeln erfüllte die Luft.
Auf den Wehrgängen der Mauer liefen die Verteidiger. Sie waren mit Bögen und Armbrüsten bewaffnet, schossen auf die Feinde und wurden von ihnen getroffen. In Bottichen kochte man Öl und Wasser, um es den vorwitzigsten Angreifern auf die Häupter zu schütten. Irgendwo da unten musste auch Marschall Livius Fontaan sein, der die Verteidigungsmaßnahmen koordinierte.
»Ich will es nicht«, flüsterte Publius.
»Wie meinen, Eure Exzellenz?«, fragte Truchsess Johnai Curdin, der neben ihm stand.
»Ich will die Zerstörung nicht hinnehmen, die dort unten um sich greift.«
»Unsere Leute tun alles, um die Verheerung in Grenzen zu halten, Furisto.«
»Ich will es nicht hinnehmen, dass mein Bruder ein solches Leid über uns alle bringt. Feuer und Tod kommen über die Exinauti – und nur, weil Flavius auf einem Thron sitzen möchte!«
»Wir werden einiges Leid ertragen müssen, Furisto, doch am Ende wird Flavius abziehen. Unsere Vorräte reichen für lange Zeit.«
»Frommer Wunsch, Johnai! Niemand kann wissen, wie lang meines Bruders Atem ist. Niemand wird mir schwören, dass wir diese Belagerung ohne elenden Hunger und zersetzende Krankheit überstehen werden. Nein, Johnai – ich werde dieses Übel nicht hinnehmen! Die Bürger von Mindaan sollen nicht leiden unter dem krankhaften Ehrgeiz eines Einzelnen. Diese Sache wird anders entschieden!« Abrupt wandte sich Publius um. »Wache! Meine Rüstung und mein Schwert!«
»Das könnt Ihr nicht tun, Eure Exzellenz! Das Volk von Mindaan braucht Euch als seinen Anführer! Niemand erwartet, dass Ihr selbst Euch in den Kampf werft!«
»Ich werde nur gegen Einen kämpfen – gegen meinen Bruder Flavius. So soll der Streit entschieden werden! Ich nehme es auf mich, im Zweikampf zu siegen oder zu unterliegen. Den guten Leuten Mindaans bin ich es schuldig, sie vor sinnlosem Leid zu schützen. Und sollte Flavius am Ende doch die Krone auf sein Haupt setzen, so ist das Leben der guten Leute Mindaans doch immerhin bewahrt geblieben. Doch freiwillig werde ich meinen Thron nicht fortgeben! Ich werde kämpfen, mit dem Ziel, dem Bruder, den ich einst so liebte, den Hals abzuschneiden!«
*
Turanor schritt langsam durch die Straßen von Helematar, der Hauptstadt Helemaius. Kangaara hatte sofort begriffen, dass er diesen Spaziergang alleine machen musste. Daher war sie im Gästehaus geblieben.
Gästehaus , ging es Turanor durch den Kopf. Nachdem sein Haus auf Helemaii der Verwüstung des Planeten zum Opfer gefallen war, hatte er sich noch nicht einmal eine neue Bleibe gesucht. Er war der Anführer eines Volkes und lebte zugleich wie ein Gast unter ihnen.
Die weißgrauen, aus Kelaari errichteten Häuser waren ihm ein vertrauter und anheimelnder Anblick, doch genau dies versetzte ihn in eine
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