Sternenfaust - 183 - Duell der Orphanen
Hälfte des Panoramaschirms waren immer noch Nachwirkungen der Schlacht zu sehen, denn jene Trümmerteile, die mehrfach kollidiert waren und damit ihre Geschwindigkeit eingebüßt hatten, befanden sich weiterhin vor Ort. Am entsetzlichsten waren für Ash jene Großtrümmer, in denen man noch Schiffssektionen erkennen konnte. So trudelte beispielsweise der Bug eines Leichten Kreuzers durchs Bild und zeigte seine Bruchstelle wie eine offene Wunde. Die einzelnen Decks, die vor wenigen Tagen noch belüftet gewesen waren und Menschen beherbergt hatten, waren klar zu erkennen, ebenso wie die Plasmaleitungen und Verstrebungen, die wie zerrissene Eingeweide aus der Wunde ragten.
Und dann wurde in der Ferne endlich ein weißgrauer Fleck erkennbar – der Schemen jener Meduse, die als einzige der sechs Bioform-Objekte hier zurückgeblieben war.
Ash ballte unwillkürlich seine Hände zu Fäusten. Niemand konnte wissen, wie die Kampfqualle auf die Annäherung des Scanner-Vehikels reagieren würde.
Partikel und winzige Trümmer glitten rechts und links, oben und unten aus der Kameraerfassung. Der automatisierte DM-Scanner näherte sich unbeirrt dem weißlich schimmernden Kunstwesen.
»Abbremsen!«, rief Ash jäh.
Der Gemini-Techniker an der Steuerkonsole sah Nummer Zwei fragend an.
»Tun Sie, was Nummer Neun sagt«, befahl der Leslie-Klon.
Die Bremstriebwerke zündeten, und das Scanner-Vehikel verlor an Fahrt.
»Annäherung in Schleichfahrt«, kommandierte Ash.
»Sie befürchten einen Angriff der Kampfqualle, Nummer Neun?«, fragte der Leslie-Klon.
»Wir sollten besser damit rechnen. Zwar verhält sich das Biest im Augenblick völlig ruhig, aber denken Sie daran, wie es vor fünf Tagen Tod und Vernichtung spuckte.«
»Ja – wir sollten vorsichtig sein«, stimmte Nummer Zwei zu.
Die Konturen der Qualle waren mittlerweile gut zu erkennen. Ihre Tentakel pendelten träge, und der untere Schirmrand war in einer leichten Bewegung begriffen.
»Das Problem ist, dass wir trotz des Anmessens der Waffenstrahlen nur schwankende Entfernungsangaben gewinnen können«, erklärte Ash. »Wenn wir den DM-Abtastvorgang zu früh starten, könnte der Strahl mit zu geringer Intensität beim Zielobjekt ankommen. Dann müssen wir erst die Energiepuffer wieder aufladen, was dauert.«
»Nicht zu reden davon, dass sich die Qualle gekitzelt fühlen und sich zu einer unangemessenen Reaktion hinreißen lassen könnte«, ergänzte Nummer Zwei mit feiner Ironie.
Der Leslie-Klon hatte recht. Und aus diesem Grund hatte Ash darauf gedrungen, dass nach erfolgreichem Scan-Vorgang die gesammelten Daten sofort abgestrahlt wurden. Eine entsprechende Programmierung war vorgenommen worden.
Mittlerweile war der türkis- und purpurfarben irisierende Schirm der Qualle gut zu erkennen. Der untere Schirmrand glich einem sich gleichmäßig bewegenden Wellenband. Nichts hatte sich im Aussehen und in der Bewegung des Bioform-Objekts bislang geändert. Nichts deutete darauf hin, dass sich die Qualle von dem herangleitenden Scanner-Schiff bedroht fühlte.
»Voller Gegenschub!«, befahl Ash. »Bis zum relativen Stillstand des Scanners.«
»Bitte, Nummer Neun«, sagte der Leslie-Klon und wies auf die Steuerkonsole. »Ihnen gebührt die Ehre, den Dunkle-Materie-Scanner zu starten.«
»Ich sehe darin keine feierliche Handlung. Tun Sie sich keinen Zwang an, Nummer Zwei.«
Als der Leslie-Klon keinerlei Anstalten machte, sich zu bewegen, zuckte Ash nur mit den Schultern und ging zur Konsole.
Der Techniker rollte in seinem Sessel ein Stück zur Seite und machte ihm Platz.
»Ich starte den Scan-Vorgang«, erklärte Ash und hob den Finger über den Touchscreen. »Wenn wir in zweihundert Sekunden einen bläulichen Blitz sehen, hat der Scanner gearbeitet.« Ash berührte die Schaltfläche, und ein grünes Licht bestätigte die Absendung des Befehls.
Ash ging zurück und stellte sich wieder neben Nummer Zwei.
Alle Blicke waren unverwandt auf den Panoramaschirm gerichtet. Seine rechte Hälfte zeigte das bizarre Raumgefährt mit seinen riesigen Fusionsreaktoren von schräg hinten. Dahinter wuchs die gigantische Meduse auf und füllte mehr und mehr das Display, da die verzögerten Bilder immer noch die Annäherung der Scanner-Fähre zeigten.
Die knotigen Kanäle unter der halbtransparenten Oberfläche der Kampfqualle waren jetzt gut zu erkennen, ebenso ihre pulsierenden blasenartigen Erweiterungen.
Was war das nur für ein Wesen? , fragte sich Ash zum wiederholten Male.
Weitere Kostenlose Bücher