Sternenfeuer
Erleichterung war aber nicht von Dauer, denn die Neuausrichtung der Kräfte löste ein völlig neues Kribbeln und Jucken aus.
»Alles nominal laut Flugplan«, meldete Techniker Gonzalvo nach ein paar Sekunden des angetriebenen Flugs.
»Beschleunigung auf ein g!«, befahl Landon.
»Jawohl, Captain«, erwiderte Laura und gab die Änderung ein. Sie fühlte sich plötzlich sehr schwer, als die Whale den umgebenden Raum so stark krümmte, dass ihr eine Geschwindigkeit verliehen wurde, die jede Sekunde um 10 Meter pro Sekunde wuchs.
Sie lächelte unterm Helm. Eins zu null für die Ingenieure! Das alte Wrack flog ... so halbwegs. Sie freute sich über den kleinen Sieg, den sie errungen hatte, ohne jedoch gleich übermütig zu werden. Schließlich würden sie und ihre Mannschaft in zwei Tagen erst richtig auf die Probe gestellt werden. So lange würde es nämlich dauern, bis die zwei Raumschiffe sich weit g enug von Neu-Eden entfernt hatten, um den Wechsel in den Überlicht-Bereich zu wagen.
Dan Landon hatte zum ersten Mal seit einer Woche den Anzug abgelegt und wusch sich mit einem feuchten Lappen, obwohl er sich eine Duschkabine mit Brausearmaturen gewünscht hätte. Er befand sich in einem Abteil, das einmal der außerirdischen Besatzung des Schiffs als Quartier gedient hatte. Die Schäden hier waren erstaunlich gering. Wäre nicht eine Wartungsluke weggeflogen und hätten sich nicht praktisch alle Druckschotten im Schiff auf unerklärliche Weise geöffnet, hätte Harlan Frees womöglich Dutzende von Uberlebenden an Bord der Whale gefunden, als er sie erstmals betrat. Jedoch waren die Besatzungsmitglieder, die den Angriff der Broa überlebt hatten, alle durch die explosive Dekompression getötet worden, kurz bevor Landon den Kampf gegen ihren Peiniger gewonnen hatte. Als die Techniker ihm diesen Sachverhalt berichteten, verspürte Dan für einen Moment Gewissensbisse, weil er nicht schon eher gehandelt hatte. So viele Tote kurz vor der Rettung - aus diesem Stoff waren griechische Tragödien gemacht.
Es war inzwischen zwanzig Stunden her, seit die Whale aus der Parkbahn ausgeschert war und den langen Aufstieg aus dem Neu-Eden-System begonnen hatte. In weiteren zwanzig Stunden wäre sie nach Sol unterwegs - oder eine Plasmawolke, die langsam über eine Million Kubikkilometer des Weltraums expandierte.
Dan nutzte die Bcschleunigungsphase, um sein Kommando zu erkunden. Er bemerkte die verschiedenen außerirdischen Vorrichtungen, die an den Schotten befestigt waren. Einige halten offensichtlich eine Funktion, während andere eher Dekoration zu sein schienen. Ein Objekt stach ihm jedoch besonders ins Auge. Vor ihm war ein sechseckiger Rahmen, der ein Bild einfasste, das ohne Weiteres ein abstraktes Gemälde darzustellen vermochte. Vielleicht handelte es sich aber auch um eine Landschaft oder ein Bildnis, sagte er sich, das jedoch aus Farbpigmenten bestand, auf die das menschliche Auge nicht ansprach. Das Gemälde war typisch für das Mobiliar und die Ausstattung des außerirdischen Raumschiffs — eine eigentümliche Mischung aus vertrauten und fremden Merkmalen.
Wenn es sich dabei wirklich um einen Kunstgegenstand handelte, erfüllte es zumindest ein Kriterium von Kunst: Es hatte mehr Fragen aufgeworfen, als es beantwortete. Er träumte davon, dass die Menschheit Seelenverwandte in einer Rasse finden würde, die Bilder malte. Aber das war natürlich pure Spekulation. Der Künstler konnte genauso gut ein Paarungsritual dargestellt, eine Botschaft übermittelt oder einfach nur den Wunsch gehabt haben, das öde Schott etwas zu verzieren. Oder vielleicht sollte das Bild den anderen an Bord signalisieren, dass dieser Abschnitt das Revier der Käferwesen war.
Dan benetzte den Schwamm wieder mit Wasser aus der Flasche. Nach dem, was er von der Käfer-Leiche gesehen hatte, waren sie keine Schönheiten gewesen. Andererseits bezweifelte er, dass sie die Menschen ihrerseits auch attraktiv gefunden hätten.
Wenn man schon kein lebendes Alien zu befragen vermochte, half einem vielleicht der Speicherinhalt des Bordcomputers weiter. Ein Expertenteam hatte seit mehr als zwei Wochen daran gearbeitet, die Arbeitsweise des Gehirns des außerirdischen Schiffs zu ergründen. Die Mannschaft hatte auch schon einige Fortschritte zu verzeichnen. Die Leute vermochten die Daten natürlich nicht zu lesen, die sie dem außerirdischen Computer entlockt hatten, warteten dafür aber mit einer Analyse auf, wie die Daten in den Speicherbänken der
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