Sternenfinsternis (German Edition)
ein Blick über die gewaltige Golar-Stadt. Niemals hätte Lucas gedacht, dass Vegkri solche Ausmaße hatte. Dabei übersah er jedoch das Offensichtlichste.
»Was ist mit dem Schutzschild geschehen?«, fragte Jaro entsetzt, wobei sogleich auch bei Lucas der Groschen fiel.
»Hat jemand von euch ein Fernglas oder so was?«, fragte der Junge.
»Wozu brauchst du ein Fernglas?«, fragte Jaro überrascht.
»Weil dort unten keiner mehr ist«, sprach Kri‘Warth das aus, was Lucas bereits vermutete und Jaro aufgrund seiner – trotz der Sehhilfe – schlechten Augen nicht erkennen konnte.
»Wie kann das sein? Wie können in der Zwischenzeit plötzlich alle verschwunden sein?«, fragte der Syka überrascht.
»Vielleicht haben sie die Gefahr kommen sehen und sind geflüchtet«, erwiderte Luc.
Der Hüne schüttelte seine wilde Mähne.
»Alle Schiffe waren in der Schlacht.«
Lucas kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Findet ihr es nicht ebenso seltsam, dass hier auch wieder alle Bewohner spurlos verschwunden sind?«
Jaro und der Hüne blickten den Jungen an, als hätte sie in diesem Moment der Schlag der Erkenntnis getroffen.
»Beim großen Geist, du hast recht, mein Junge!«, entfuhr es dem Syka, der sich sofort Kri‘Warth zuwandte. »Prüfe noch einmal, ob du Nokturijès Signal empfängst. Wir müssen sie finden! Ich habe das Gefühl, dass wir hier schleunigst verschwinden sollten«, woraufhin sich der Golar umgehend zurück zur Fähre begab.
Dann sah Jaro den Jungen an, der traurig hinab in die leeren Straßen der einst blühenden Golar-Metropole blickte.
»Wir müssen da runter und herausfinden, ob dort noch jemand ist. Vielleicht konnten sich ein paar von ihnen verstecken und haben nun Angst ...«
Jaro griff den aufgebrachten Menschenjungen am Arm.
»Lucas! Ich wünschte, ich könnte dir zustimmen. Doch die Golar würden sich weder verstecken, noch hätten sie Angst. Ich befürchte, dass alle weg sind. Das bedeutet, dass es hier keinen mehr gibt, dem wir helfen könnten. Missverstehe mich bitte nicht, ich will in deinen Augen nicht unmenschlich erscheinen, die Golar waren meinem Volk stets gute Verbündete, wenn nicht gar Freunde. Doch unsere Zeit drängt. Wir verfügen über wichtige Informationen, die umgehend zur Bastille gebracht werden müssen. Wenn diese Daten verloren gehen, dann riskieren wir die Leben weiterer Völker. Nym‘Sec hat das Schicksal seines Volkes bereits vorbestimmt. Entweder konnten sie flüchten oder auch nicht. Doch ihrem Verbleib können und dürfen wir jetzt nicht nachgehen. Unsere Aufgabe besteht nun darin, Nokturijè und Cameron zu finden, wobei dies auch schon äußerst riskant ist und alles in Gefahr bringen könnte. Jeder andere würde die Leben der beiden für das große Ganze opfern, doch sie sind meine Crew, meine Freunde, meine Familie … sie sind alles, was ich noch habe. Ich hoffe nur, dass ich mit dieser Entscheidung kein allzu großes Risiko eingehe und am Ende anderweitig Konsequenzen zu tragen habe. Doch es wird immer Opfer geben, selbst dann, wenn man denkt, alles richtig gemacht zu haben.«
Lucas verstand Jaro, dennoch war er hin- und hergerissen. Alleine bei dem Gedanken, dass dort unten vielleicht irgendwo noch Golar und Wesen anderer Abstammung waren und auf Rettung hofften, brach ihm beinahe das Herz.
Doch vermutlich hatte Jaro recht – Cameron und Nokturijè benötigten nun ihre Hilfe.
Kapitel 20
Fremde Gezeiten
Cameron kam es vor, als wären sie bereits seit Tagen unterwegs und die scheinbar nicht endenwollende, eisige Landschaft schlug ihm stark aufs Gemüt. Erschwerend kamen noch die Schmerzen hinzu, die er in seiner Leistengegend verspürte – ein stechendes Ziehen, das er bereits seit einer ganzen Weile zu ignorieren versuchte.
Ständig war ihm Nokturijè mindestens fünf Schritte voraus, was für den Colonel den Eindruck erweckte, dass sie es irgendwie eilig haben musste. Sie gab ihm noch nicht einmal den Hauch einer Chance, aufzuholen. Wobei er von Anfang an auch gar nicht dazu in der Lage gewesen wäre.
Irgendwann war der Punkt für ihn erreicht, wo er keinen Schritt mehr machen konnte. Schwer atmend und mit gebeugtem Oberkörper stemmte er die Arme auf seine leicht geneigten Knie und hoffte so, dass der intensiv stechende Schmerz verschwinden oder zumindest nachlassen würde – doch dies schien alles nur noch schlimmer zu machen.
»Stopp! Nokturijè bleib stehen«, rief er der Mè nach, die nicht bemerkt hatte, dass er nicht mehr
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