Sternenfinsternis (German Edition)
kompetenter Einschätzung.
»Und was denkst du, wie viel Zeit uns tatsächlich noch bleibt?«
Die Syka rümpfte die Nase und sah ihren treuen Assistenten bedrückt an.
»Weniger als zwölf Stunden.«
»Weniger als zwölf Stunden?«, wiederholte Matthew hysterisch. »Ich muss dringend meine Mama anrufen.«
»Mach das. Ich werde wohl unterdessen die Präsidentin Coldwin über diese Hiobsbotschaft in Kenntnis setzen.«
Galime warf einen Blick auf das Regal zu dem grünen Ordner mit den Notfallnummern und ärgerte sich innerlich, dass dieser sich, für die kleine Syka in einer unerreichbaren Höhe befand.
»Matthew könntest du mir noch den Ordner ...«, doch als sich Galime nach ihrem Assistenten umsah, war dieser bereits spurlos verschwunden.
Grummelnd blickte sie sich um. Zuerst musterte sie einen wackligen Holzstuhl, der seine besten Jahre längst hinter sich hatte. Seine Sitzfläche war jedoch zu niedrig, um ihr die nötige Höhe zu verschaffen. Dann entdeckte sie einen Stoß Bücher – zusammen, so dachte sie, würde sie entweder an den Notfallordner gelangen oder sich, bei dem Versuch an diesen heranzureichen, ihr Genick brechen.
»Ach, was soll´s. Es sind schon viele Meister vom Himmel gefallen«, sprach sie ermutigend zu sich selbst.
Schnell hatte sie die erforderlichen Utensilien zusammengetragen und betrachtete die fragwürdige Konstruktion selbstkritisch. Einerseits wusste sie, dass das Leben aller Erdenbürger auf dem Spiel stand, andererseits war sie nicht mehr dazu in der Lage, irgendjemanden vor der solaren Gefahr zu warnen, sollte diese Aktion missglücken.
Galime wäre jedoch nicht Galime gewesen, wenn sie nicht eben dieses Risiko, als lohnenswert erachtet hätte. Ohne ihr Tun würde die gesamte Menschheit ausgelöscht werden und sie würden es wahrscheinlich noch nicht einmal kommen sehen.
Niemand interessierte sich heutzutage noch für Sonnenaktivitäten. Nachdem man über den glühenden Ball alles zu wissen glaubte, waren alle Augen auf irgendwelche anderen Punkte des Alls gerichtet – das Universum musste nicht mehr länger nur durch Linsen betrachtet werden. Die Geheimnisse des Weltalls nun endlich zu ergründen und vielleicht sogar enträtseln zu können, ließ den eigenen Feuerstern in die Schatten der Vergessenheit eintauchen. Die Selbstverständlichkeit seines Daseins verschleierte in den Gedanken der Menschen seine Vergänglichkeit.
Vorsichtig, sich an der Rückenlehne abstützend, setzte die Syka unsicher ihren ersten Fuß auf den kleinen freien Bereich der Sitzfläche, neben den gut zwanzig Zentimeter hohen Bücherturm. Ihr Herz pochte unruhig vor Aufregung, als sie mit dem zweiten Fuß nachsetzte und sich schließlich vollends dem maroden Konstrukt hingab und dessen Schicksal zu dem ihren machte.
»So weit so gut«, sprach sie zu sich selbst und sah verängstigt nach unten. In diesem Moment wurde ihr wieder einmal bewusst, warum ihre Spezies die Bodenständigkeit, auch in ihrer Andersartigkeit, mehr als nur schätzte – Syka waren einfach nicht für Höhen jeglicher Art geschaffen und sie waren alles andere als Akrobaten.
Behutsam ließ sie von der Lehne ab und beugte ihre Knie durch. Bedrohlich, begann der Stuhl unter ihren unruhigen Beinen zu beben. Hastig griff sie an das Regal, welches ihr Sicherheitsgefühl von einem zum anderen Moment beträchtlich steigerte. Nun war sie nur noch wenige Zentimeter von dem Objekt ihres Begehrens entfernt und diese Distanz konnte sie lediglich mit einem weiteren Schritt nach oben überwinden.
Der alte Holzstuhl knarrte, als sie den instabilen, selbst errichteten Turm erklommen hatte. Nur noch ein letzter Handgriff, so dachte sie erfreut, und sie wäre am Ziel angekommen – doch die Syka war geradezu bestürzt, als sie feststellen musste, dass ihr tatsächlich nur ein guter Fingerbreit zu fehlen schien, um an den verstaubten Ordner mit den Notfallnummern heranzukommen.
»Verdammt noch eins«, schimpfte sie und blickte den wackligen Turm unter ihren Füßen hinab.
Dann schweiften ihre Blicke zu dem Tisch, von welchem sie die Bücher für ihren Turmbau gegriffen hatte und fixierte ein Werk des Astrophysikers Dr. Arnold Eriksson. Dieses Fachbuch hätte die optimale Dicke aufgewiesen, den Aktenordner ohne Weiteres zu erreichen. Doch diesen beschwerlichen Weg nach unten zu steigen, um anschließend mit dem Buch im Gepäck wieder emporzuklettern, kam für sie nicht infrage. Sie war der Meinung, wenn sie sich ganz lang machte, könnte
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