Sternenfinsternis (German Edition)
und die hart ins Schloss fallende Tür.
Die Echsenmänner waren fort.
Auch wenn Lucas nicht wusste, wo er nun war und was als Nächstes auf ihn zukommen würde, hatte er das Gefühl, für einen Moment durchatmen zu können.
Mühsam rappelte sich der Junge auf seine Beine und rieb sich seine Tränen aus den Augen, um wieder ein wenig klarer zu sehen. Zitternd blickte er sich um. Vor ihm erstreckte sich ein gewaltiger, mit hohen Säulen gesäumter Saal. Angestrengt versuchte er, das andere Ende des Saales zu erblicken, doch dieses lag in völliger Dunkelheit verborgen.
Ein wenig kam sich Lucas wie in einem Pharaonengrab vor, was sicherlich mit an dem flackernden Licht der Fackeln lag und an der Tatsache, egal wo er auch hinsah, alles um ihn herum hatte diese Sandfarbe. Wände, die Decke, die Säulen und auch der Boden – alles war Ton in Ton.
Schlagartig entzündete sich Feuer am Ende des Saals in zwei goldenen, auf Sockeln stehenden Schalen. Dazwischen saß ein gewaltiger, überdimensionaler, um nicht zu sagen fetter Roctar, auf einem aus purem Gold bestehenden Thron und starrte kalten Blickes in Richtung des Jungen.
»Komm näher!«, sprach der König in einer unnatürlich tiefen und rauen Stimmlage zu ihm. »Ich werde dich sicher nicht fressen«, dröhnte seine Stimme und ein unheimliches Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit.
»Jedenfalls noch nicht!«
Das darauffolgende Lachen des Roctar fuhr Lucas durch Mark und Bein. Er glaubte sogar für einen Augenblick, dass der Boden gebebt habe und dass von der Saaldecke ein wenig Sand heruntergerieselt wäre. Er traute dem Ungeheuer nicht. Die Furcht trieb ihn dazu rückwärtszugehen – immer weiter weg von dem nach frischem Fleisch lüsternen Fettsack.
Doch noch bevor er die gewaltige Tür erreichen konnte, öffnete sich diese und zwei dieser Echsenwesen traten herein. Ob es sich um dieselben handelte, die ihn nur Momente zuvor hergebracht hatten oder ob es andere waren, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, da sie sich alle glichen – alle, bis auf den mit Schuppen besetzten Fettklumpen auf dem Thron vor ihm.
Die beiden Wachen griffen Lucas und schleuderten ihn beinahe bis in die Mitte des Saals.
»Näher! Komm näher!«, sagte der König, nach dessen Leib lechzend.
Lucas hatte die Wahl, ob er sich nun aus freien Stücken zu diesem Roctar begab oder ob ihn die Wachen zu ihm schleifen würden. Lucas zog es vor, seinem scheinbar unausweichlichen Ende auf seinen eigenen Beinen zu begegnen. Doch er weigerte sich, den Schlund des Königs als sein Schicksal anzusehen. Er wollte nicht als Zwischenmahlzeit des ohnehin schon überfetteten Schuppenklops dienen. Mehr als ein Appetithappen war der schlanke sechszehnjährige Junge für diese überdimensionierte Echse schließlich nicht.
Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, Angstschweiß bildete sich in seinem Gesicht und Adrenalin durchströmte seinen gesamten Körper. In dieser Situation fiel es ihm schwer, einen konkreten Gedanken zu fassen. Doch eines war für ihn klar – sollte es tatsächlich kein Entrinnen für ihn geben, würde er dieser ekelhaften Echse zeigen, dass Menschen eine wahrlich schwer verdauliche Mahlzeit darstellten.
Bei jedem Schritt, den er tat, schien die Bestie einen weiteren Meter zu wachsen und dies in seinem gesamten Ausmaß. Der Roctar war geradezu monströs.
Lucas stand am Treppenabsatz und wollte gerade die erste Stufe betreten, als der Herrscher der Roctar seine Pranke leicht anhob und energisch »Genug!«rief.
Es schien so, als rangen sich sämtliche irdische Mythen um diese kuriose Spezies. Im Mittelalter wurden Stimmen laut, welche von riesigen Drachen berichteten. Ob diese nun, laut ihren Aussagen, imstande waren zu fliegen oder Feuer spieen – die Wissenschaftler auf der Erde hatten stets eine simple Erklärung für diese sagenumwobenen fantastischen Wesen parat. Für alle nur erdenklichen mystischen Drachenwesen fanden sich Echsen, Schlangen und andere Kleinreptilien. Hochrangige Gelehrte waren sich sogar nahezu sicher, dass sich auf einem Kometen befindliche Bakterien nach einem Einschlag mit irdischen vereinigten und diese Gattung erst ermöglichten. Vielleicht stammten die uns bekannten Geschöpfe von den Roctar ab?! Einige der Wissenschaftler würden ihr Leben geben, um das zu sehen, was Lucas in diesem Moment sah und dabei müsste man das mit ›dem Leben geben‹ letztlich wohl wörtlich nehmen.
Lucas zitterte noch immer am ganzen Leib, während ihn der
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