Sternenkinder
Denkstrukturen übertragbar sind.«
»Ja, natürlich«, erwiderte Nilis. »Aber ich bin ein Angehöriger der Denkschule, die behauptet, dass so etwas wie religiöse Begriffe in jeder intelligenten Lebensform entstehen. Vielleicht müssen alle sterblichen Geschöpfe, Menschen oder Geister, eine Philosophie entwickeln, die den Schock des unmittelbar bevorstehenden persönlichen Todes dämpft.«
Mara nickte. »Ich würde jedenfalls zugeben, dass religiöse Überzeugungen überlebenswichtig sind – und wahrscheinlich einem evolutionären Zweck dienen.«
»Ja, ja! Die Religion liefert eine vernunftmäßige Erklärung für die Existenz in einem Universum, das ansonsten womöglich chaotisch erscheint – vielleicht ist es auch nur eine illusorische Erklärung, jedoch eine Möglichkeit, damit fertig zu werden. Und die Religion fungiert als sozialer Kitt. Kooperation ist von grundlegender Bedeutung, und die Religion fördert Konformität. Irgendeine Form von Religion müsste eigentlich überall anzutreffen sein…«
Während dieses akademische Gespräch seinen Fortgang nahm, starrte Pirius den verwundeten Geist an und bildete sich ein, dass dieser seinen Blick erwiderte. »Es ist mir egal, was er über Götter denkt«, sagte Pirius. »Ich will wissen, wie er zu den Menschen steht, die seine Gattung vernichtet haben.«
Nilis und Mara versteiften sich, warteten jedoch auf die Antwort des Geistes.
»Ihr seid diejenigen, die töten«, sagte der Geist.
»Andere töten auch«, erwiderte Nilis rasch. »Die Xeelee töten. Ihr tötet.«
»Nur Angehörige anderer Spezies. Kein Geist würde einen anderen Geist töten; es wäre eine Art Selbstmord.«
»Die Geister halten den Krieg, den Menschen führen, für Wahnsinn – nicht nur den Krieg in der Galaxis, sondern all unsere organisierten Kriege«, erklärte Mara. »Nur Menschen vergeuden das Leben anderer Angehöriger ihrer Gattung, als wären sie lediglich Spielmarken. Für die Geister ist nichts so kostbar wie Bewusstsein und Intelligenz.«
»Menschen sind keine Killer«, entgegnete Pirius. Er hob die Hände. »Wir haben diesen Krieg nicht gewollt. Bevor wir die Erde verließen, haben wir überhaupt keine Kriege geführt.«
Nilis lachte. »Ach, Pirius – noch so ein Koalitionsmythos! Hör nicht darauf, was die politischen Offiziere dir erzählen. Trotz allem, was du in deiner Kindheit gelernt hast, war die Erde vor dem Raumzeitalter kein Paradies, in dem die Menschen eine Art wohlwollender Diktatur über die anderen Geschöpfe ausgeübt haben; wir waren keine edlen Wilden. Wir haben immer getötet, Pirius, haben immer Krieg geführt – und da wir in jener Zeit noch keine außerirdischen Feinde hatten, sind wir aufeinander losgegangen. Der Beweis findet sich im blutgetränkten Boden der Erde.«
Pirius zeigte auf den Geist. »Verstehen Sie denn nicht, Kommissar? Genau aus diesem Grund ist dieses Experiment, diese Wiederbelebung der Geister, so falsch. Wir streiten uns bereits! Wenn man ihnen nur die kleinste Chance gibt, werden sie ihre destabilisierenden Ideen in unser Bewusstsein schmuggeln.«
Nilis musterte ihn; Pirius hatte das kalte Gefühl, dass er für ihn bloß ein weiteres faszinierendes Untersuchungsobjekt geworden war. »Mag sein. Aber heute wird niemand getötet.«
Mara zeigte nach oben. »Schaut.«
Pirius legte in seinem steifen Hautanzug den Kopf in den Nacken und blickte nach oben.
Charons geduldige Masse hing reglos über ihrem Mutterplaneten, halb im Schatten, ein dunstiger Schemen im Licht der winzigen Sonne. Doch nun war genau im Zentrum der Pluto zugewandten Seite ein blauweißer, greller Lichtfunken aufgeflammt – viel heller als Sol. Als Pirius den Blick abwandte, sah er, dass das neue Licht messerscharfe Schatten warf.
Nilis klatschte in kindlicher Erregung in die Hände. »Das ist der Gravastern! Was wir da sehen, ist das Leuchten einfallender Materie, die beim Auftreffen auf die ultrarelativistische Wellenfront ihre Gravitationsenergie abgibt. Wirklich eine erstaunliche technische Leistung – die Parameter der kontrollierten Materieimplosion, die zur Erzeugung des Schocks benötigt wird, sind schrecklich eng –, und es ist schwierig, die Stabilität aufrechtzuerhalten.« Er seufzte. »Aber in diesen Dingen waren die Geister schon immer gut.«
»Der Test wird auf Charon durchgeführt«, sagte Mara. »Es handelt sich hier um eine experimentelle Technologie, bei der ungeheure Energien verbraucht und freigesetzt werden. Dort oben ist niemand,
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