Sternenlaeufer
den Atem an und drückte darauf.
Nichts geschah.
Er tastete alle Steine um die Sonne herum ab und versuchte herauszufinden, wo die Mauer nachgeben würde. »Zum Teufel, wo ist es? Hier muss irgendwo ein Riegel sein. Myrdal, hilf mir dabei.«
»Ich weiß nur, dass es das dumme Ding gibt, aber ich habe nie zuvor damit gearbeitet«, grollte sie. Aber sie gehorchte.
»Riyan«, sagte Pol, und seine Anwesenheit überraschte Rohan, »erinnerst du dich an die Verteidigung, von der wir heute gelesen haben? Wir werden sie jetzt wirken, nur vorsichtshalber.«
Rohan warf einen Blick über die Schulter und sah seinen Sohn schützend vor Sioned stehen. Ihr Gesicht war angespannt, aber der schreckliche Schmerz war aus ihrem Blick gewichen.
»Die Sternenrolle?« Die Frage von Andry klang scharf.
»Du hast sie auch schon benutzt«, erklärte Pol aggressiv. »Warum sollten wir es nicht tun?«
Rohans Finger tasteten und drückten, drehten, zerrten und schoben. Leise fluchend trat er etwas zurück. »Seht, hier kann man sehen, wo er in der Mauer einrastet. Im Stein ist ein kleiner Riss, aber es klappt nicht!«
»Vielleicht haben sie den Mechanismus irgendwie gestört«, meinte Chay. Und dann fragte er mit einem merkwürdigen Blick auf Myrdal: »Wie viele von diesen kleinen Geheimnissen gibt es denn wirklich hier?«
»Eine Menge mehr als in Radzyn«, erwiderte sie einfach. »Ich glaube, dies hier ist hoffnungslos. Ich habe schon viele andere geöffnet, und alle haben perfekt funktioniert. Chaynal hat Recht, da ist etwas zerbrochen.«
»Absichtlich?«, wollte Sioned wissen.
Rohan seufzte. »Das ist nicht wichtig. So viel zu meiner ersten brillanten Idee. Wir müssen ein anderes Versteck suchen …« Er brach ab und starrte auf die Steinschnitzereien.
»Vater? Was ist?«
Er ignorierte seinen Sohn und wandte sich stattdessen an Myrdal. »Du hast erzählt, die Herren von Stronghold hätten immer wieder gewechselt und jeweils die Geheimnisse der anderen herausgefunden und setzten stattdessen neue ein.«
»Ja, aber …«
Er fuhr mit den Fingern über den Stein und untersuchte jeden Schatten. »Von der Logik her muss es dieser Raum sein. Alle anderen wären schwierig auszukundschaften, ohne ertappt zu werden. Sie hat bestimmt keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Das hier muss er sein.«
Sioned meinte zögernd: »Aber die Zauberei, Rohan. Wir wissen nicht, wozu sie fähig ist. Nichts hat uns auf das Gestaltwechseln vorbereitet. Es könnte alles mögliche andere geben …«
»Aber es gibt nur einen einzigen Stern in dieser Wand!«, unterbrach er triumphierend.
»Bei der Göttin und ihren Wundern!«, staunte Myrdal.
»Vorsichtig!«, warnte Chay. »Sie erwarten uns sicher!«
Damit rechnete Rohan. Wieder sah er die Lichtläufer an. »Bereitet euch vor. Wir werden sicher nicht mit offenen Armen empfangen.«
Auch in seinem eigenen Schlafgemach gab es einen Ausgang, der mit einem Stern gekennzeichnet war. Myrdal hatte Sioned diesen vor Jahren gezeigt. Man drückte leicht auf das Schnitzwerk, bis es nachgab, und dann musste man es nach links drehen. Wieder hielt Rohan den Atem an, als er seine Finger auf das Sternensymbol legte. Er hoffte, dass es auf dieselbe Art funktionierte.
Es bewegte sich. Der Riss teilte sich, erst langsam, dann schneller. Von Kopfhöhe bis zum Boden öffnete sich ein Riss und wurde breiter, als ein Stück Mauer zurückglitt. Etwas raschelte darin, und dieser Laut ließ sein Herz vor Aufregung und Furcht schneller schlagen, aber er wich nicht zurück.
Aus der Dunkelheit sprang ein frischgeschlüpfter Drache von der Farbe frischen Blutes. Er warf den Kopf zurück, stieß einen wütenden Schrei aus und breitete die Flügel aus. Schimmernde Krallen zischten plötzlich durch die Luft. Der Drache verdoppelte seine Größe, als er ins Zimmer platzte und seine Herausforderung herausschrie. Die Kreatur war der Albtraum eines Drachen, wenn es je so etwas gegeben hatte, bis hin zu den Flammen, die er zu den Deckenbalken emporspie. Seine Kiefer waren kräftig genug, einen Mann mit einem Biss zu zerstückeln. Die Kehle pulsierte, als ein neuer Feuerstoß vorzischte. Ein weiteres Brüllen, ein Spielen der massiven Muskeln in den Flügeln – und dann fixierte er aus glitzernden, rubinroten Augen Rohan.
Der hatte schon früher in Drachenaugen geblickt. Keine waren so gewesen wie diese hier. Sein Wille verließ ihn, wie Wasser im Sand versickert. Er war nichts. Die Flammen würden ihn zu einem Nichts verbrennen,
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