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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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sich von ihm ab und verschränkte die Arme auf der geschnitzten Balustrade. Ihre Stimme war sanft, müde und traurig. »Ich habe meinem Gemahl vier Söhne geboren. Vier starke, stolze, wunderschöne Söhne, Enkel eines Prinzen. Ich habe gesehen, wie sie aufwuchsen und lernten und Drachen spielten. Ich habe einen von ihnen sterben sehen, ehe er neun Winter zählte. Jetzt habe ich einen weiteren meiner Söhne verloren.« Sie schwieg lange Zeit. Pol sah, wie ihr Kopf langsam hinabsank und wie sich ihre Schultern beugten, als würde der Kummer selbst ihren unbezwingbaren Geist besiegen. Doch schließlich richtete sie sich wieder auf und blickte zu ihm empor. Ungeweinte Tränen standen in ihren Augen, als sie sagte: »Danke, dass du es mir erzählt hast, Pol. Das kann für dich nicht leicht gewesen sein.«
    »Für mich …?«, fing er unüberlegt an, verschluckte dann aber den Rest. Sie brauchte zu ihrer Last nicht auch noch sein schlechtes Gewissen und seinen Kummer.
    »Du bist Sorins Vetter, sein Freund und sein Prinz gewesen. Und ich denke, sein Verlust lehrt dich Dinge über seine Stellung, die du lieber noch nicht erfahren hättest.«
    Woher wusste sie das? Er starrte sie ehrfürchtig an und begriff, dass er niemals ihre Weisheit haben würde. Ihr Mitgefühl. Ihr Verständnis dafür, was es bedeutete, ein Prinz zu sein.
    Sie wandte sich wieder der Wüste zu. »Etwas Erstaunliches wird in diesem Frühjahr geschehen«, überlegte sie. »Etwas, was nur einmal in hundert Jahren passiert. Mein Vater hat von Regenfällen wie diesen von seinem Vater gehört, der das einmal in seiner Jugend erlebt hat. Ich kann es bereits fühlen, Pol. Das Land befindet sich noch im Schock, glaube ich. All das Wasser nach einer so langen Dürre! Aber ich fühle die Rastlosigkeit. Es wird bald geschehen.«
    Pol blickte überrascht auf sie hinab. Sie lächelte ihm zu.
    »Diejenigen, die nicht aus der Wüste sind, staunen immer, dass wir unseren leeren Sand so schön finden können. So bezwingend. Sie glauben, es wäre ein totes Land, weil es nicht blüht oder Früchte trägt, ein Ort, dem Leben einzuflößen die Göttin vergessen hat. Aber was sie uns gegeben hat, ist so viel wunderbarer als die Fülle, die die anderen jedes Jahr haben. Sie nehmen ihre Reichtümer als gegeben hin. Aber wir aus der Wüste verstehen, wie kostbar Leben wirklich ist, welch einen Segen es bedeutet, wie es zu vergehen scheint und doch immer wiederkehrt, immer von Neuem.«
    Er bemühte sich, sie zu verstehen. »Wie … wie die Sonne jeden Tag. Oder die Drachen alle drei Jahre.«
    »So hatte ich es gar nicht gesehen, aber ja, wie die Sonne und die Drachen. Immer wiederkehrend.« Sie starrte auf die Dünen. »Jahni und Sorin werden nie wieder vor mir stehen. Werden mich nie wieder anlächeln, niemals mehr – aber sie sind in diesem Land lebendig, genau wie mein Vater und meine Mutter noch immer hier leben. Erde und Luft, Feuer und Wasser, alles, was sie waren, lebt in dieser Wüste, die so leblos aussieht für jene, die nicht verstehen können.« Sie seufzte leise. »Geh jetzt bitte wieder hinein. Ich möchte eine Weile allein sein.«
    Er nickte, fühlte sich hilfloser denn je, und zögerte einen Moment, ehe er sich bückte, um sie auf die Wange zu küssen. Sie legte die Arme um ihn, und er war wie immer überrascht über die Kraft in diesem zierlichen Körper. Als sie ihn losließ, quollen die Tränen über, und er war klug genug, sie sofort zu verlassen.
    Sionell war aus dem Kinderzimmer nach unten gekommen und half jetzt Edrel, Wein einzuschenken. Sie warf Pol einen Blick zu, als dieser eintrat, nickte kaum merklich und erzählte weiter. »… sind sie endlich eingeschlafen. Ruala wird noch eine Weile bei ihnen sitzen bleiben, um sicher zu sein, dass sie nicht wieder aufwachen, und ein bisschen später werden die Kindermädchen die Wache übernehmen. Hollis, ich kann dir gar nicht sagen, wie süß Chayla geworden ist, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe.«
    Pol machte das Geschwätz über die Kinder ungeduldig, und es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass Sionell das Thema bewusst gewählt hatte, um sie von ihrem Kummer abzulenken. Auch sie verfügte über eine besondere Art von Weisheit, dachte er: Sie war klug, wenn es um Menschen und ihre Bedürfnisse ging. Aber er konnte sich an dem Austausch von Anekdoten über die Kinder nicht beteiligen. Er war so unruhig, wie Tobin es von der Wüste behauptet hatte. Es war wie ein Jucken tief in seinem Blut und

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