Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
einer Gefühlsaufwallung brachte er es fertig, sein Gegenüber einfach zu umarmen. Ich sah ihn an, und mein Eindruck, jemand versuche mich für dumm zu verkaufen, verfestigte sich von Minute zu Minute.
    Beobachtete man mich vielleicht tatsächlich? Und starrten irgendwo, Hunderte von Kilometern, ja, womöglich gar Hunderte von Lichtjahren entfernt, Danilow, Mascha und Karel ebenfalls in die Gesichter irgendwelcher verschwatzter und gutmütiger Unbekannter?
    »Siehst du die Lichtung da?«, fragte Schnee. Zur Veranschaulichung seiner Worte schleuderte er die leere Dose in den Sumpf.
    »Ja.«
    »Da bin ich abgestürzt. Nachts. Ich bin kaum rausgekommen. Nur mit purer Willenskraft. Davon habe ich wirklich mein Leben lang geträumt: im Dreck zu ersaufen …«
    Wir sahen uns an. Wahrscheinlich machte er das Unverständnis in meinem Blick aus.
    »Die haben mich abgeschossen, Pjotr. Drei Grüne haben sich an mich gehängt. Einen habe ich runtergeholt, mit einem echt schönen Schuss … aber, seine beiden Kumpane haben mich runtergeholt. Irgendwie bin ich hinter die Frontlinie geraten.« Er lachte wie ein Kind aus vollem Hals. »Was hast du denn gedacht? Dass ich hier wohne und den Anblick der Wolken genieße?«
    Jetzt sah ich seine Kleidung mit anderen Augen. Aber ja doch. Das war ein Tarnanzug. Anders konnte es gar nicht sein.
    »Ich habe keine Ahnung …, ob sie im Stützpunkt mein Signal aufgefangen haben oder nicht … Bis Mittag warte ich noch, wenn dann keine Hilfe kommt, muss ich durch den Dschungel. Zu Fuß.«
    Ich verstand kein Wort.
    Abgeschossen?
    Die Grünen?
    Die Frontlinie?
    Natürlich wäre es naiv, zu hoffen, Kriege hätten mit der Entwicklung der Zivilisationen aufgehört. Diese Illusionen hat man auf der Erde auch einmal gehegt. Wir haben uns allerlei Institutionen wie den Großen Ring und die Gemeinschaft der Intelligenten Welten ausgedacht. Wir haben gehofft, die Atombombe würde uns vom Krieg abbringen oder wir könnten nach der Entwicklung von Raketen auf Fußsoldaten verzichten. All das hat sich als Quatsch herausgestellt. Die Alari sind in der Lage, ganze Planeten in Staub und Asche zu verwandeln – aber die Hälfte ihrer Mannschaften in den Schiffen besteht aus Soldaten. Und die Daenlo … da weiß man nicht einmal, wo die Grenzen ihrer Zerstörungskraft liegen. Doch da sie zum Kämpfen zu faul waren, haben sie sich aus den kleinen Alari ihr Kanonenfutter herangezogen. Und wir auf der Erde? Was nützt es uns denn, von fremden Welten umgeben zu sein? Was nützt uns die Zugehörigkeit zu den intelligenten Rassen? Nichts nützt uns das! Im Kaukasus geht das Gemetzel schon ins dritte Jahrzehnt, Großbritannien droht in einzelne Grafschaften zu zerbröckeln, den USA fällt nichts Besseres ein, als ihre Truppen in die ganze Welt hinauszujagen, um ihre unermesslichen Interessen zu verteidigen.
    Aber hier!
    Ins Zentrum der Galaxis zu kommen und Worte, die einem derart zum Halse raushängen, Worte wie Frontlinie und Stützpunkt zu hören!
    Einen Planeten zu sehen, der mit Hyper-Übergängen gespickt ist wie ein guter Käse mit Löchern, durch ein Tor zu gehen – und dann auf einen frisch abgeschossenen Piloten zu treffen! Zum Teufel noch mal, was für Luftgefechte wollten sie sich eigentlich bei ihrer Technik liefern?! Oder war es hier genau wie bei uns auf der Erde, wo man eine starke Waffe schultert – aber Streitigkeiten mit der Faust austrägt?
    »Was guckst du denn so?«, wollte Schnee wissen.
    »Ist der Stützpunkt weit weg?«, fragte ich geradeheraus.
    »Zwei Wochen brauchen wir schon.«
    »Und … haben wir eine Chance?«
    »Natürlich nicht. Aber was schlägst du sonst vor?«
    Die Versuchung war groß, einfach hinter mich zu zeigen, auf das Tor. Bei mir funktionierte es zwar nicht, aber die Einheimischen mussten doch wohl mit ihrem Transportsystem umgehen können.
    »Na komm schon, Kopf hoch!« Schnee deutete mein Schweigen völlig falsch. »Sie finden uns bestimmt. Sag mir lieber, was du bei uns machen willst.«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Fliegst du gern?«
    »Kommt drauf an, womit.«
    »Womit, das sehen wir dann. Entscheidend ist die Einstellung.«
    »Hmm, ich fliege gern.«
    »Gut.« Schnee nickte. »Dann nehme ich dich in meine Gruppe auf.«
    Damit hielt Schnee das Gespräch wohl für beendet, denn er rieb sich die Hände sorgfältig am Gras ab, erhob sich und marschierte Richtung Ufer los. Was hieß das denn nun wieder? Sollten das alle Formalitäten gewesen sein? Du wirst in meiner

Weitere Kostenlose Bücher