Sternenschimmer
beste Freundin. Aber gerade deshalb wollte ich sie vor diesem Warten bewahren, bis – und ich hoffte inständig darauf – sich alles zum Guten wenden würde.
Ihr Toms Entführung zu verschweigen, gelang mir nur, indem ich Abstand von ihr hielt.
Lena führte treuherzig, wie sie war, mein Verhalten auf meine Frühlingsgefühle für Iason zurück. Sie nahm mir meinen Rückzug nicht einmal übel, nein, sie freute sich sogar für mich. Denn wie es um Iason und mich stand, verschwieg ich ihr ebenfalls.
Von jetzt an fuhr ich kaum noch nach Hause. Ich blieb bei Iason. Mich von allen, die ich vor der Wahrheit schützen wollte, abzuschotten, schien mir der einzige Weg zu sein. Meine Mutter sah in meiner Entscheidung, vorübergehend in den Tulpenweg zu ziehen, einen Ablösungsprozess, und in diesem Glauben ließ ich sie auch. Finn erbarmte sich und zog zu Silas. Jedoch nicht, ohne Iason das Versprechen abzuringen, mich vorerst nicht auf Loduunisch zu küssen. Warum, erwähnte jedoch keiner der beiden in meiner Gegenwart.
Zunächst hatte ich Bert und Tanja gegenüber Hemmungen. Nicht zuletzt, weil ein neunter Kopf ja auch eine Kostenfrage darstellte. Aber Iason hatte mit ihnen deshalb schon gesprochen und sie waren einverstanden, dass ich für eine Weile hier einzog. Für Iason, so kam es mir vor, war dieses Gespräch nur ein Akt der Höflichkeit ihnen gegenüber. Schließlich bezahlten er und Finn den Laden ja.
»Und es ist wirklich okay für euch, wenn ich jetzt so oft hier bin?«, fragte ich Tanja trotzdem selbst noch einmal. Egal, wer den Tulpenweg finanzierte. Er war schließlich ihr Projekt und obendrein Berts Baby.
Tanja schloss mich in die Arme. »Für jede Minute, die du da bist, freuen Bert und ich uns«, versicherte sie mir. »Gerade jetzt.«
Toms Verschwinden – oder besser gesagt, die Gewissheit darüber – lag inzwischen fast zwei Wochen zurück. Kommissarin Hartung hatte bisher keinen nennenswerten Erfolg mit ihren Ermittlungen und es trieb Tanja jedes Mal Tränen in die Augen, wenn sie an ihren guten Freund dachte.
Ich lächelte ihr dankbar zu. Der Tulpenweg war momentan der einzige Ort, an dem ich etwas wie Geborgenheit empfand. Doch das war nicht der alleinige Grund, weshalb ich hier wohnte. Ich wollte noch so viel wie irgend möglich mit Iason erleben. Ich hatte Angst, etwas zu versäumen, eine Erinnerung an ihn nicht zu haben, die aber vielleicht möglich gewesenwäre. Wer wusste schon, wie viel Zeit uns blieb. Würde Toms Entführung Iason veranlassen, noch früher zu gehen, oder würde sie uns Aufschub verschaffen? Und wenn ja, wie lange nur? Es hing wahrscheinlich ganz davon ab, wo die Wächter Tom vermuteten. Ob er noch auf der Erde war oder ob SAH ihn bereits nach Loduun verschleppt hatte. In einem war ich mir sicher: Iason würde Tom folgen und alles daransetzen, ihn zu finden. Er sah es als seine Pflicht an und würde nicht eher ruhen, bis er sie erfüllt hatte. Deshalb verbrachte er die meiste Zeit mit den Hartungs oder er verschickte Nachrichten nach Loduun, wo Tom jetzt ebenfalls gesucht wurde.
Weshalb ich ihn nicht auf seine Rückkehr nach Loduun ansprach, war schlicht und ergreifend, dass ich es nicht konnte. Ich schaffte es einfach nicht …
Es war mitten in der Nacht. Sosehr ich mich bemühte, ich fand keinen Schlaf. Den Kopf auf Iasons Arm gebettet, lauschte ich seinen gleichmäßigen Atemzügen und hing meinen Gedanken nach. Morgen war der dreißigste August, der Tag der Vereinigung der Nationen. Es war der höchste Feiertag auf der Erde. In den letzten drei Jahren hatte ich ihn immer mit Lena, Barbara und Greta gefeiert und auch diesmal waren wir dazu in Gretas Werkstatt verabredet. Sie hatte sich sogar erbarmt, das Männerverbot an diesem Abend aufzuheben, woraufhin Lena Iason, Finn und Frank ebenfalls einlud. Eigentlich sollte mich die Vorstellung freuen, meine engsten Freunde gemeinsam um mich zu haben. Aber sie freute mich nicht. Sie machte mir Angst. Angst wegen Lena. Ein Abend, an dem ich so tun müsste, als ob alles in Ordnung wäre. Konnte ich das? Sie würde in Feierstimmung sein, während ich meiner besten Freundin verschwieg, dass ihr Tom auf brutalste Weise entführt worden war und vielleicht nie wieder zurückkehren würde.
Nun begriff ich, warum Iason sich weigerte, seine Gefühle mit mir zu teilen. Was er damit gemeint hatte, als er sagte, dieErlebnisse auf Loduun würden in ihm brennen. Das wollte man seinen Liebsten nicht antun, wenn diese so sorglos
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