Sternenschimmer

ihr Leid riss an jeder Faser meines Körpers. Als sie mich sah, hielten ihre Fäuste inne und ihr Zittern gefror. Ihr zerquältes Gesicht traf mich bis ins Mark. Einen Schritt entfernt von ihr blieb ich stehen.
    »Nicht sie«, sagte Lena kalt.
    »Es tut mir so leid«, sagte ich. »Ich wollte …«
    »Was du willst, interessiert mich nicht mehr, Mia.«
    Tränen schossen in meine Augen. Ich wollte etwas sagen, aber meine Kehle zuckte nur.
    »Verschwinde«, presste sie hervor. »Und nimm deine Loduuner mit.«
    Brennend rann mir der Kummer die Wangen hinab.
    Iason legte die Hand auf meine Schulter. »Komm.«
    Erschüttert drehte ich mich um und ging. Wenn ich meiner besten Freundin in ihrer Not schon nicht beistehen durfte, wollte ich ihr wenigstens meinen Anblick ersparen.
    Finn stand auf dem Treppenabsatz an der Tür, als Iason und ich an ihm vorbei ins Haus gingen.
    Im Flur brannte nur die kleine Lampe auf dem Sideboard. Ich lehnte mich gegen die Wand. Nach einer Weile kam Finn herein. »Sie sind fort«, sagte er leise.
    Wie gut, dass Lena nicht allein war.
    Finn gab Iason ein Zeichen. »Lass es uns noch einmal anschauen.«
    Iason nickte.
    »Ihr wollt was? Seid ihr verrückt!«
    »Mia, vielleicht gibt es etwas, das wir übersehen haben«, sagte Iason nachdrücklich.
    Wie abgebrüht waren die beiden eigentlich? Nichts und niemand würde mich dazu bewegen, das Wohnzimmer noch einmal zu betreten.
    Er strich mir die Arme hinab. »Geh schon mal nach oben. Ich komme nach.«
    Ich schmeckte meine Magensäure, als Iason Finn folgte, der gerade im Wohnzimmer verschwunden war. Wann hörte das auf, wann hörte das endlich auf? Krampfhaft suchte ich am Sideboard Halt, als meine Finger das Gehäuse des Message-Printers streiften. Eine Nachricht rutschte halb aus dem Postkasten. Sie konnte erst vor Kurzem angekommen sein.
    Sie war in einer undefinierbaren Schrift verfasst. Es musste Loduunisch sein. Im Anschluss aber folgte ein an Iason adressiertes Schreiben auf Irdisch. Mit zitternden Fingern nahm ich es heraus:

    Sehr geehrter Herr Santo, auf die Bitte Ihres Clans hin, sende ich Ihnen diese möglichen Flugdaten zu, mit der Anweisung, dass Sie Ihre Angelegenheiten auf der Erde regeln und nach Loduun zurückkehren, um Ihren dortigen Verpflichtungen nachzukommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Gisela Meyfeld
    Vertreterin des Außenministeriums.

    Müde, ich war so unendlich müde und sank in die Knie, während meine Welt zusammenbrach.

    Ich hörte Iasons Gemurmel, Einwürfe von Finn und hin und wieder Toms Stimme, die mal lauter und dann wieder leise gestellt wurde.
    Erst als ich ein Schlurfen vernahm, sah ich auf. Tony stand samt Schmusetuch auf der Treppe.
    »Ich will zu meiner Mama«, schluchzte er verschlafen. Ich rappelte mich auf, knüllte den Brief in meine Hosentasche und ging zu ihm hin.
    »Ich weiß, mein Süßer.« Seine Hand war tröstlich warm. »Komm, ich bring dich wieder hoch.«
    Zum Glück schlief er noch halb und bemerkte meinen Zustand nicht, als er mir folgte.
    Nachdem Tony wieder in seinem Bett lag, begab ich mich ins Bad. Mein Atem ging schwer, der Puls viel zu schnell. Im Dunkeln fuhr ich über den Kaltwassersensor und stützte mich mit hängendem Kopf am Waschbecken ab. Es dauerte und dauerte, bis das gleichmäßige Plätschern meinen Herzschlag etwas ruhiger werden ließ. Dann schöpfte ich mit der Hand aus dem Strahl und wusch mein Gesicht. Wie lange hatte ich denn noch verdrängen wollen? … Tom war tot, Lena fort, und Iason würde auch bald gehen. Unser gemeinsamer Traum war nichts als törichte Hoffnung gewesen. In dieser Nacht hatte mich die Realität eingeholt, und ich konnte nichts tun, um sie aufzuhalten.
    Nackte Angst packte und schüttelte mich. Und dann sprang er auf, der verdammte Koffer, mit seinem verdammten Inhalt. Wie eine Bombe explodierte er, schlug mit all den Wahrheiten zu, die ich in ihn hineingestopft hatte. Jede einzelne flog mir um die Ohren. Ich fiel auf die Knie, versuchte, sie wieder aufzuraffen, wühlte in den gottverdammten Wahrheiten meines Lebens herum. Sie waren so widerlich, ich mochte sie kaum anfassen. Verzweifelt versuchte ich, sie in den Koffer zurückzustopfen, aber sobald ich den Deckel zudrückte, schnappte er wieder auf. Alles flog heraus, wieder schmiss ich sie hinein, warf mich darauf, um mit aller Macht dem Deckel gegenzuhalten, und er, was machte er ? Er sprang mit Leichtigkeit zurück und warf mich gegen die Wand. Zitternd blieb ich in der Ecke liegen.
    Das ist