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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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gegangen, um jetzt zurückzukehren. Und der Anhänger, den er dem toten Yarika abgenommen hatte, würde ihn beschützen. Da war er sicher. Er hatte gezögert, ob er ihn mitnehmen sollte.
    Doch Schnitt und Schliff des Steins waren so strahlend, die Verarbeitung der Kette war so kompliziert, daß es mehr als nur ein Schmuckstück sein mußte. Und da es die Yarika nicht beschützt hatte, würde es ihn ganz sicher beschützen.
    Immerhin war er kein Yarika, schmutzig, hungrig und unwissend. Er war ein Fon-Delar, ein Mitglied des größten und blühendsten Clans der Wüste. Der größte, blühendste und stärkste – den Clan ausgenommen, der dort unten seine Glaszelte aufgeschlagen hatte. Den Clan, der die Yarika niedergemetzelt hatte.
    Der Neid ließ ihn selbst im heißen Sonnenlicht zittern Sein Onkel Kanir war der Führer der Fon-Delars. Doch Kanir war nur halb so bekannt wie der Viir-Nega – Anführer der tödlichsten Fechter, der geschickteste Messerkämpfer der Wüste! In Viir-Negas Clan trugen selbst die Frauen Messer, und dadurch verdoppelte sich die Kampfstärke des Clans. Unter den Fon-Delars würde bestimmt niemand einer Frau mit einer Waffe trauen.
    Garrid wand sich vorwärts und erinnerte sich dabei an die Nacht, in der die Frau, die sein Bruder von den Vernicas gestohlen hatte, sich ein Messer gegriffen, Pelars Kopfhaut aufgeschlitzt und ein Stück von seinem Ohr abgeschnitten hatte. Und das nur, weil Pelar sich geduckt hatte, bevor sie ihm die Klinge in die Kehle stoßen konnte. Garrid hatte in derselben Nacht beschlossen, daß er niemals eine Frau von den Vernicas stehlen würde. Vielleicht von einem anderen, nicht so wilden Clan.
    Jetzt, wo der Zeitpunkt näherkam, da er sein eigenes Zelt einrichten mußte, spielte er sogar mit dem Gedanken, einen vorgetäuschten Diebstahl zu arrangieren. Es würde natürlich seinen Stand mindern, aber er würde wenigstens nicht ständig. seinen Rücken schützen müssen. Er besaß ein paar Schafe. Die konnte er zum Tausch gegen die Braut anbieten, und möglicherweise würde sein Onkel das Hochzeitsfest bereiten. Einer prächtigen Hochzeitsfeier wurde fast so viel Respekt gezollt wie einem guten Diebstahl.
    Auf dem Bauch kriechend hatte er jetzt das Dornenlabyrinth erreicht. Er kam vorsichtig auf die Füße und musterte die stachelige Wand. Als er den Eingang entdeckt hatte, machte er sich daran, auf den engen Wegen durch die Sträucher zu streifen. Es wäre einfacher gewesen, nur an den Rändern des Labyrinthes entlangzugehen und dann aus anderen Perspektiven auf das Lager hinabzublicken, doch die dichten Blätter boten ihm genug Deckung. Und heute, so kurz nach dem Kampf mit den Yarika, hatte man bestimmt Wachen an den Außenrändern des Lagers aufgestellt.
    Endlich trennte ihn nur noch eine Schicht der dornigen Vegetation von der Aussicht auf die Glasscheibenhäuser von Viir-Negas Lager. Er spähte durch die ölhaltigen Blätter, so wie er es schon oft getan hatte. Es erschien ihm sonderbar, Zelte für immer auf einen Platz zu pflanzen, anstatt den Schafen querfeldein durchs weite Land zu folgen. Es erschien ihm sonderbar, eßbare Pflanzen zu ziehen, statt sich von Hammelfleisch, Wild und wilden Gewächsen zu ernähren. Es erschien ihm seltsam, die Versprechungen zu machen, die man ablegen mußte, wenn man wie die Menschen des Größeren Clans leben wollte. Die Versprechungen, nicht bewaffnet gegeneinander vorzugehen, keine Frauen zu stehlen und dem anderen nichts fortzunehmen. Obgleich er als jüngster Bruder eine gewisse Sympathie für diese Regelung fühlte, da er immer derjenige war, dem etwas abgenommen wurde.
    Ja, vieles erschien ihm merkwürdig; aber das Glitzern der Glasscheiben im Sonnenlicht faszinierte ihn – wie immer, wenn er einen Umweg in diese Richtung machte. Der Gedanke daran, Saaten einzupflanzen, sie zu bewässern und zuzusehen, wie die leuchtend grünen Pflanzen aus dem Erdboden stießen, faszinierte ihn. Unwillkürlich berührte er den Stein, den er dem toten Yarika abgenommen hatte. Auch er war faszinierend. Er starrte hinein und versuchte festzustellen, ob er, in Anbetracht seiner makellosen Reinheit, aus Glas statt aus Stein gemacht sein konnte; hergestellt von den Handwerkern dort unten. Handwerker, die einst gewöhnliche Clansmänner gewesen waren. Das würde den Stein noch wertvoller machen, denn dann war er ein Zeichen dafür, was man vollbringen konnte, wenn man nur wußte, wie.
    So vieles faszinierte ihn. Wenn er hier vorbeikam, blieb

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