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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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schmerzender Rücken – und Entschlußlosigkeit. Keva versuchte immer wieder, ihr Bewußtsein auf den Klang der Quelle zu konzentrieren. Doch statt dessen schossen ihre Gedanken in alle Himmelsrichtungen und nahmen ihre Gefühle mit sich. Ihr Schuldgefühl gegenüber dem, was nur geschehen war, weil sie in die Wüste gekommen war. Ihre Wut, wenn sie daran dachte, ihren Vater zu verlassen. Ihre Angst vor dem Feuerarmband und vor ihrer Wut. Erinnerungen voller Sehnsucht an eine Zeit, als alles einfacher gewesen war. Danior seufzte und ließ den Paarungsstein los, ihm war klar, das sie auch nicht wußte, was sie tun sollte.
    Möglicherweise, wenn er es noch intensiver versuchte; vielleicht, wenn er nach der Stimme des Wassers langte, wie er nach Kevas Gedanken gelangt hatte ... Ein Versuch konnte nicht schaden. Er beugte den Kopf und versuchte noch einmal, das Gezänk miteinander streitender Gedanken zu verdrängen. Er lockerte die verspannten Muskeln und ließ den Kopf auf die Brust herabsinken, und dann langte er nach dem schwachen Klang des Wassers. Griff nach ihm, während es in einer unverständlichen Sprache sprudelte; in seiner eigenen Sprache zur Erde redete.
    Sprache. Der Paarungsstein hatte ihn eine Sprache gelehrt, die mächtiger als jede Sprache war. Er hatte seine Gedanken mit dem Yarika verbunden, mit Garrid, mit Keva, und er hatte herausgefunden, daß sie alle das gleiche fühlten: Angst, Verwirrung, Unsicherheit, Wut. Er hatte erfahren, daß diese Dinge universell waren, daß sie jedermann vorantrieben – Palastsohn, Barohna oder Clansmann.
    Aber was konnte er mit seinem Wissen anfangen? Es war sinnlos, hier zu sitzen, während sich die Clans zum Krieg sammelten. Aber wenn er zu den Kleinen Clans gehen würde...
    Durch den halb zu Ende gedachten Gedanken aufgeschreckt, hob er den Kopf und starrte die dunklen Wände der
tarnitse-Hütte
an. Ginge er zu den Kleinen Clans, könnte er nichts erreichen. Denn was konnte er ihnen sagen, da er nicht einmal ihre Sprache sprach? Doch wenn er zu den Fon-Delars ginge ...
    Wenn er zu Garrids Clan ginge, konnte er sich vielleicht verständlich machen. Vielleicht konnte er ihnen mitteilen, was er wußte: daß ihre Ängste jeder Grundlage entbehrten; daß Keva nicht in die Wüste gekommen war, um sie daraus zu vertreiben; daß die alten und neuen Bräuche nebeneinander existieren konnten. Vielleicht nicht sonderlich gut, aber ohne Blutvergießen.
    Er ließ den Kopf wieder sinken und grübelte darüber nach. Konnte er es tun? Konnte er durch Garrids Bewußtsein, das ihn führte, mit seiner ungeübten Zunge die Fon-Delar-Sprache lernen? Konnte er zu den Fon-Delars sprechen? Wenn er es könnte ... Die Fon-Delars waren der größte der Kleinen Clans. Sie wurden respektiert – und gefürchtet. Wenn er mit Kanir, ihrem Führer, reden könnte ...
    Er rieb sich die Schläfen und versuchte, klar zu denken. Inzwischen würde die Wüste von Clansmännern und Botschaftern nur so wimmeln. Doch er hatte von dem Yarika und von Garrid einiges gelernt – Tricks und Listen, die es ihm ermöglichen würden, unbemerkt zu bleiben.
    Welche Wahl hatte er denn sonst? Auf die Clansmänner zu warten, die sich Jhaviirs Siedlung näherten? Er griff nach dem Paarungsstein und hoffte, daß Garrid noch schlief.
    Doch statt dessen stolperte Garrid wieder durch die Wüste. Er versuchte, mit seinen Clansbrüdern Schritt zu halten, seine Beine zitterten vor Erschöpfung. Die Rufe seiner Clansbrüder drangen in seine Ohren und auch die Schreie der anderen, der Paznikis, der Ternars, der Widebots und der Kessermins. Es waren fünf Clans, die miteinander gingen; einander die Messer verpflichtet hatten gegen den Viir-Nega und die Barohna. Fünf Clans ...
    Doch was sie schrien – möglicherweise entsprach es der Wahrheit, was sie über die Todesursache der Gothnis sagten. Aber er hatte die Yarika gesehen; sie waren nicht verbrannt worden. Und zu der Zeit, als sie gestorben waren, war er durch die Wüste gewandert, und er hatte nicht gesehen, daß die Monde sich verfinstert hatten.
    Was, wenn es dort überhaupt keine Barohna gab? Wenn sie auf dem Weg wären, das Lager des Viir-Negas grundlos zu vernichten? Was, wenn ...
    Garrid fiel hin, und Pelar brüllte ihn wütend an. Garrid kam wieder auf die Beine und unterdrückte den Schmerz in seinen verkrampften Waden. Er konnte es sich nicht leisten, hinter den anderen zurückzubleiben, selbst wenn es in der Glassiedlung keine Barohna gab. Wie konnte er sich in

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