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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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auch Bert der Meinung gewesen, dass es in den letzten Wochen mit dem Jungen aufwärtsging.
    »Hope gegenüber öffnet Ariel sich«, gab ich zu bedenken.
    »Ja, aber die Kleine kann unmöglich diese grausame Misshandlung mit ihm aufarbeiten. Wir können dankbar sein, dass sie trotz ihrer eigenen Erlebnisse so stabil ist.«
    Ich drückte Iasons Hand, weil ich fühlte, wie ihm die Worte der Ärztin zusetzten.
    Inzwischen war auch Tony bei den beiden angelangt. An den Händen haltend tanzten die drei im Kreis, gingen schließlich in die Mitte, hoben die Arme und bildeten so eine Dornenhecke. Erst mussten Hope und Tony Ariel mitziehen, aber dann hörte ich durch die halb offene Tür, wie Tony ihn als holde Maid bezeichnete und ihm übermütig einen dicken Schmatz auf die Wange gab. Da ließ auch Ariel sich auf den Ringelreihen ein. Bis Hope die lustige Runde stoppte und versonnen ihre Puppe in den Armen wiegte. Ariel besorgte ihr Blümchensuppe in einem Sandkastenbecher und gab ihr noch einen Plastiklöffel dazu, mit dem sie ihre Puppe füttern konnte.
    »Was meinst du?«, fragte ich Iason. »Hat es mit Hopes Sinn zu tun, dass sie so gern mit Puppen spielt?«
    »Ein Sinn«, sagte er, »bringt auch stets eine gewisse Veranlagung mit sich, sonst hätte man ihn ja nicht gewählt. Hope lebt ihre fürsorgliche Ader einfach gern aus.«
    Das stimmte. Und Tonys Lachen, es kam so sehr von Herzen, dass … ich hörte ihn hinter einem Baum giggeln, woraufhin Ariel einen ungewohnt vergnügten Laut ausstieß. Tonys Sinn, glücklich zu machen, war nicht nur für ihn selbst eine echte Gabe. Ariels Sinn hingegen war noch nicht wirklich zu erkennen. Ausgerechnet er sollte Frieden stiften.
    Nun entdeckte er uns. Ich winkte, atmete tief ein und trat ebenfalls nach draußen. Obwohl sich mit jedem Schritt, den ich auf ihn zu machte, Schmerz in meine Freude mischte, lächelte ich. Er war gewachsen und sein braunes Haar, das durch die vielen Wirbel in alle Richtungen fiel, hatte von der Sonne hellere Strähnen bekommen. Hope griff nach seiner Hand und zog ihn in unsere Richtung. Der Junge sperrte sich erst, aber schließlich kam er uns doch entgegen. Wir waren keine zehn Meter mehr voneinander entfernt, als Ariel plötzlich wieder stehen blieb. Also machte ich die letzten Schritte, ging vor ihm in die Hocke und nahm seine Hände. »Na, mein Süßer, wie geht es dir?«
    Es wurde ein stiller, aber sehr schöner Nachmittag mit ihm.
     
    »Du kannst wirklich noch mit den Kindern hierbleiben«, sagte ich zu Iason, als die ausgemachte Einkaufssession so nahe gerückt war, dass ich mich auf den Weg machen musste.
    So wie er mich ansah, kam das gar nicht für ihn infrage. Er zückte sein iCommplete, um Finn anzurufen. »Alles klar«, sagte er und steckte das Gerät zurück. »Finn holt Tony und Hope später hier ab. Wir können dann los.«
    »Tschüss, Ariel«, sagte ich sanft.
    Statt mir zu antworten, ließ er sich ins Gras plumpsen, umschlang die angewinkelten Beine und legte das Kinn auf die Knie.
    Von der Klinik bis zur Einkaufsmeile war es eine gute halbe Stunde. Neun Stationen mit dem Flugschiff und durch eine kunststoffverglaste Unterführung, die den Blick zum Stadt-Aquarium gewährte. Iason zeigte auf einen großen Rochen, der an uns vorbeizog.
    »Hm«, machte ich, wenig empfänglich für seine Ablenkungsversuche. Um ehrlich zu sein: Es kostete mich extreme Mühe, aus meinen Gedanken zurückzukehren.
    Er legte den Arm um mich. »Du denkst an Ariel, stimmt’s?«
    Der Rochen drehte sich auf die Seite und präsentierte uns seine ganze Spannweite.
    »Warum redet er nicht?« Unsere Stimmen hatten hier im Tunnel einen leicht blechernen Klang.
    »Mit Hope tut er es«, erinnerte Iason mich. Sein Daumen strich beruhigend über meinen Hals, doch die Sorge um Ariel verfolgte mich wie ein Schatten.
    »Aber nicht mit uns.«
    Die Kunststoffplatten unter unseren Füßen waren feucht vom Kondenswasser, das an den Wänden hinabrann. »Ariel hat viel durchgemacht, Mia, und wer sein Schweigen nicht versteht, der versteht auch nicht, was er sagt.«
    Ja, so war es wohl. Für den Rest des Weges sprach keiner von uns ein Wort.
     
    Was für ein Bruch im Tag. Eben noch bei Ariel – jetzt stand ich tatsächlich in der Abteilung für Abendgarderobe im Retro-Kaufhaus.
    Zunächst probierte ich einen Rock. Und während ich in das dazugehörige eng anliegende Oberteil schlüpfte, dachte ich an das gestrige Gespräch mit Lena, als sie mich abends noch mal zu Hause

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