Sternenstaub
an – genau wie er mich.
Er wirkte, als würde er ein ganzes Frachtschiff voll Ballast mit sich herumschleppen, darüber konnten auch seine gewohnt lässige Haltung und die sichere Ausstrahlung nicht hinwegtäuschen. Am liebsten wollte ich ihn ganz fest in meine Arme schließen … für ihn da sein, aber da war noch immer dieser unnahbare Blick. Warum hielt er seine Gefühle vor mir zurück?
Es war so viel geschehen seit unserem Abschied, unserem letzten Kuss. Und wir hatten in zwei völlig unterschiedlichen Welten gelebt. Hatten sie uns voneinander entfernt?
Lass dich jetzt nicht wegstoßen , flüsterte ich mir Mut zu. Trau dich.
Ich erlangte wieder das Kommando über meine Beine und ging auf ihn zu, vorbei an den Fahrzeugen und Mitarbeitern der Raumstation, die Baumaterialien, Proviant und andere Hilfsgüter aus der Fähre entluden. Er aber blieb stehen, mit dieser Miene, die mir einfach nicht verriet, was er dachte.
Dann stand ich vor ihm.
»Hallo«, sagte ich leise.
»Hallo«, antwortete er.
Eine frische Brise wehte durch sein Haar und ich suchte nach … ich weiß nicht wonach, irgendeinem Zeichen.
Bitte sei nicht so.
Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich eine warme Welle von Gefühlen zu spüren, die von ihm zu mir herüberschwappte. Sah den zärtlichen Ausdruck, der kurz durch seine grauen Augen lief, aber vielleicht wünschte ich mir beides auch bloß so sehr. » Warum bist du hierhergekommen?«, fragte er leise und es klang wie ein trauriger Vorwurf.
Ich senkte den Blick. Seine hochgeschobenen Jackenärmel verrieten den dunkler gewordenen Teint seiner Haut, über der ein zarter blauer Schimmer schwebte. Wenn ich auch sonst gern mal einen Spruch riskierte, hier und jetzt fiel mir nichts ein.
Eine endlos scheinende Weile sagten wir beide nichts. Dann sprach ich sie aus, die Worte, die zwischen uns standen: »Du … du willst nicht, dass ich hier bin.«
»Nein«, sagte er, ohne den Blick von mir zu nehmen.
Ein dumpfer und zugleich stechender Schmerz bohrte sich in meine Brust. Mit leerem Blick starrte ich auf die Wand neben ihm, während ich mit meinen Gefühlen kämpfte.
Er sog Luft durch die Zähne ein. Ich war scheinbar weniger gut darin, meine Emotionen zu verbergen, als er.
»Hey, Iason!«, übertönte da ein fröhlicher Ruf die Geräusche von Kraftfahrzeugen und Schritten um uns herum.
Seine Aufmerksamkeit wanderte an mir vorbei zu seinem Freund. Mit freudig flackernden Augen schickte Finn sich an, zu uns zu kommen, aber Skyto hielt ihn an der Jacke zurück. Mit Klara im Arm schenkte mir der Leader der Wächter ein Nicken und ich merkte, wie sich in mir ein trotziger Stolz erhob. Verdammt, ich hatte das alles nicht auf mich genommen, um jetzt so abserviert zu werden. Ich sah ihn wieder an.
Mir war egal, wie kläglich sich das anhörte. Unser Wiedersehen war ohnehin schon total ruiniert. »Iason, sie haben die Grenzen geschlossen.«
Okay, jetzt erreichte mich etwas. Und zwar Wut. Ich spürte geradezu, dass er kurz davor war, mich kräftig durchzuschütteln, und wie er dagegen ankämpfte. Sein ganzes Inneres war ein hochexplosiver Wust an Energie. Kraftvoll stieß er sich von der Wand ab und wollte davongehen, um mich so vor einer Affekthandlung zu schützen, aber ich bekam ihn im letzten Moment am Arm zu fassen. Und weil er wusste, dass ich wahrnahm, wie kurz er davor war, mich in tausend Einzelteile zu zerbeamen, sah er mich jetzt auch an, als wären mir plötzlich zwei Köpfe gewachsen. Aber wenn ihn meine irdischen Gefühle nicht überzeugten, dann vielleicht das hier. »Elai hat mir geholfen. Verstehst du? Es sollte so sein.«
»Mia! Hör auf!« Er packte mich am Handgelenk. »Was denkst du dir bloß dabei, hier einfach so aufzutauchen? Musst du ständig mit deinem Leben spielen? Das kann unmöglich lange gutgehen.«
Typisch Iason, es ging mal wieder nur darum, was ich falsch gemacht hatte. Ich riss mich los und massierte meine Handgelenke. »Glaubst du vielleicht, ich hätte mich absichtlich in einen kaputten Raumanzug gestopft?«
Seine dunklen Pupillen weiteten sich. »Du hast … wie bitte? «
Mist, ich war mir sicher gewesen, Skyto hätte ihm das brühwarm erzählt.
Mit einem Schritt war er bei mir. »Dombuere, geht es dir gut?«, wollte er wissen.
»Klar. Sieht man doch.«
Er ging auf und ab, wobei er sich immer wieder mit beiden Händen durchs Haar fuhr. Dann hielt er inne und drehte sich zu mir um. Sein Herz und seine Miene waren verschlossen. Keine Wut.
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