Sternenwind - Roman
dem Rücken und starrte mit kreidebleichem Gesicht zur Decke. »Wie fühlst du dich?«
Seine Augen blickten in meine Richtung, aber es war, als würde er durch mich hindurchsehen. Ich erschauerte. »Als hätte ein Feuer mich von innen verbrannt«, murmelte er mit brechender Stimme. »Ich habe sie gehört, ihre Stimmen, ihre Rufe. Steven hat nach Therese gerufen, Mary nach Jonas, aber er war natürlich gar nicht bei ihnen. Ich hatte genauso große Angst, als würden die Felsen auf mich stürzen. Therese war eins der ersten Opfer, und ich hörte, wie Steven ihren Namen rief, dann schrie auch er.« Joseph blickte wieder zur Decke. »Ich konnte ihnen nicht helfen.« Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln. »Ich … ich habe es hier gespürt, wie das Beben meinen Körper durchschüttelte, aber ich hatte es bereits oben am Hang gespürt. Und ich spürte, wie sie starben, so dass meine Aufmerksamkeit dort gefangen war, bei ihnen.«
Seine Stimme zitterte, und ich wollte ihn in den Armen halten, aber er sollte nicht durch irgendetwas Körperliches von seinen Gedanken abgelenkt werden. Sein Schmerz war ohnehin viel zu tief und unerreichbar für mich. Als er für einen Moment schwieg, flüsterte ich: »Erinnerst du dich, wie du im Park gesessen hast?«
»Ich habe euch alle gespürt, dich und Kayleen und Bryan und kurz Tom. Bryan ist bei uns geblieben.« Schließlich sah er mich an. »Geht es allen anderen gut?«
Ob es ihnen gut ging? Natürlich nicht. Aber ich nickte und holte ihm ein Glas Wasser. Seine Lippen sahen trocken und spröde aus, und seine Augen hatten eine falsche Schwarztönung, wie Gewitterwolken, die mit Regen und Feuer drohten. Ich beobachtete, wie er langsam trank. Erst als er mir das leere Glas zurückgab, sagte ich: »Hier ist niemand gestorben. Denise hat sich das Handgelenk gebrochen, und Hilarios Gesicht wurde durch einen herabfallenden Dachziegel verletzt. Gianna hat sich den Fuß verstaucht. Ich habe gehört, dass die Klinik brechend voll war, aber inzwischen hat man die meisten wieder entlassen. Wir haben noch einmal Glück gehabt.«
»Haben wir das?«
Es klopfte an der Tür, was mich vor einer Antwort bewahrte. Ich riss mich von Josephs Seite los. Etwas Alltägliches wie zur Tür gehen kam mir auf einmal fast unmöglich vor, als würde ich durch schwere Wellen laufen. Als ich die Tür aufdrückte, drangen Licht und Vogelgesang durch die Öffnung in den kurzen Korridor. Die fröhlichen normalen Geräusche störten meine Trauer. Ich wollte, dass die Welt leise und respektvoll war.
Bryan stand draußen. Er schien den Türrahmen fast völlig auszufüllen. Behutsam schloss er mich in die Arme. »Es tut mir so leid«, flüsterte er mir ins Haar. »Ich wäre gern früher gekommen, aber es ging nicht.«
Ich sagte nichts, sondern ließ mich nur von ihm halten und zog Kraft aus seiner Umarmung, seiner Unerschütterlichkeit.
Nach etwa einer Minute fragte er: »Wie geht es Joseph?«
»Er ist wach. Komm rein.« Ich trat zurück.
Bryan schob sich an mir vorbei und ging zu Josephs Zimmer.
Die Leerstelle, die er im Türrahmen hinterließ, wurde im nächsten Moment von Kayleen ausgefüllt. Sie war noch feucht von der Dusche, aber nicht erfrischt. Ihre Augen waren verquollen, und sie bewegte sich ungewöhnlich langsam. »Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte. Nava wollte, dass Mutter und ich die Datennetze testen, bis nach Mitternacht.« Sie zog sich einen Küchenstuhl heran, setzte sich ächzend und strich sich mit den Fingern durchs Haar, während sie mich betrachtete. »Du siehst aus, als hättest du nicht geschlafen. Du wirkst erschöpft. Einen Moment noch, dann mache ich uns Frühstück. Wie geht es Joseph?«
Sie zu sehen besserte meine Stimmung ein klein wenig. »Er … er hat Schmerzen.«
Kayleen machte sich auf den Weg zu Josephs Zimmer. Sie versuchte immer noch, ihr feuchtes Haar zu entwirren. Ich folgte ihr, so dass wir uns nun zu viert in dem kleinen quadratischen Raum drängten. Es gab nur einen Stuhl, den Bryan besetzt hatte. Also setzte Kayleen sich auf meine zerwühlten Laken, und ich hockte mich auf die Kante des schmalen Betts, neben Joseph, der sich wieder zur Wand gedreht hatte.
Bryans Stimme klang tief und gleichmäßig. »Wir müssen darüber reden. Ich weiß, dass du es nicht willst, und ich weiß, dass der Zeitpunkt denkbar ungünstig ist, aber Kayleen und ich machen uns große Sorgen. Wir müssen uns überlegen, was aus euch beiden werden soll.«
Ich blinzelte
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