Sternenwind - Roman
zu tun, etwas in Bewegung zu setzen, als wäre sie ein Komet, der kurz davorstand, bei einem Zusammenstoß zu explodieren. Ich wollte, dass sie ging.
Sie sah mich an. »Ich weiß, dass ihr euch nicht gut fühlt. So geht es uns allen. Wir wollen nur …« Sie zuckte mit den Schultern. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Natürlich«, sagte ich. »Wir drei werden kommen und euch helfen. Aber Joseph schläft. Er ist erschöpft, er kann kaum auf eigenen Beinen stehen. Er muss sich ausruhen.«
Nava runzelte die Stirn, als wollte sie mir widersprechen. Doch dann nickte sie. »Soll ich einen Arzt schicken?«
Das würde Joseph überhaupt nicht gefallen. »Ich glaube, er braucht nur etwas Ruhe. Ich möchte hier in der Nähe arbeiten, wo ich regelmäßig nach ihm sehen kann, bitte.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.« Sie blickte Kayleen an. »Das bedeutet, dass du mit Paloma zusammenarbeiten musst. Seid in zwanzig Minuten im Amphitheater. Alle drei.«
»Einverstanden«, meldete sich Kayleen hinter mir zu Wort. »Wir werden da sein.«
Nava wandte sich um und marschierte los, in Richtung Nachbarhaus.
»Sie ist gar nicht glücklich, dass Joseph nicht in den Netzen arbeiten kann«, meinte Kayleen kopfschüttelnd.
Bryan brummte. »Sie hätte wenigstens fragen können, wie es euch geht, bevor sie euch sagt, was ihr tun sollt.«
Wir beendeten unser Frühstück. Das Essen hatte jeden Geschmack verloren.
Das Versammlungssignal ertönte. Ich sah nach Joseph, während die anderen beiden in der Küche aufräumten. Er atmete leise und gleichmäßig. Offensichtlich schlief er, auch wenn tief aus seiner Kehle gelegentliche wimmernde Laute drangen. Ich küsste ihn auf die glatte Wange und zupfte seine Bettdecke zurecht.
Wir hielten uns an den Händen, als wir zum Park hinübergingen. Die Luft fühlte sich schwer und feucht an, geladen mit Elektrizität und Regen. Bisher war nur die frühe Ernte eingebracht worden. Der dritte Heuschnitt, die Kürbisse und die zweite Bohnenernte waren noch auf den Feldern. Wahrscheinlich war ein Teil der bereits eingefahrenen Ernte in Mitleidenschaft gezogen worden, und der Regen könnte noch mehr vernichten. Unsere Katastrophen kamen niemals einzeln, sondern immer im Doppel- oder gar im Viererpack.
Die Menschen, die sich im Amphitheater versammelten, unterhielten sich leise und machten einen ernsten Eindruck. Sie kamen in Familiengruppen, die Eltern hielten ihre Kinder an den Händen. Ich hatte oft in der Grundschule ausgeholfen, und ein paar Kinder winkten uns zu, aber die meisten Erwachsenen beachteten uns nicht. Wir suchten uns ganz oben einen Platz, wie am Vortag, Bryan und Kayleen links und rechts von mir.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken fuhr ich herum und blickte in Jennas einzelnes stahlgraues Auge. Ihr verunstaltetes Gesicht war wettergegerbt, die Haut dunkel vom Leben im Freien. Ihr Atem roch nach Zwillingsbaumfrüchten. »Pass gut auf deinen kleinen Bruder auf«, sagte sie. »Sein Schmerz ist groß.« Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog sich zurück und setzte sich in eine schattige Ecke. Für gewöhnlich kam sie nie in die Stadt, reagierte nicht auf das Versammlungssignal. Ich hoffte, dass es ihr zwischen so vielen Menschen gut ging.
»Was tut sie hier?«, flüsterte Kayleen.
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Woher weiß sie von Joseph?«
Jenna lebte außerhalb der Stadt, aber noch innerhalb der Begrenzung. Man hatte sie gejagt, als ich noch ein kleines Mädchen gewesen war, wie ein wildes Tier, das erlegt werden musste. Aber sie hatte die Leute ausgetrickst. Sie tötete ein paar Tatzenkatzen und zwei der langen Gelbschlangen, die sie nacheinander in den Park brachte, damit die Leute sie dort fanden. Wir hatten uns an ihrem Vorbild orientiert und versucht, genauso wie sie unsere Nützlichkeit unter Beweis zu stellen.
Jenna war der einzige erwachsene Mensch, der uns eine Vorstellung davon vermittelte, was eines Tages aus uns werden könnte, auch wenn sie eine gebrochene Persönlichkeit war und bestenfalls geduldet wurde. Außerdem war es schwierig, sich mit ihr zu unterhalten. Jenna begegnete jedem mit Misstrauen, sogar uns. Trotzdem hatten wir einige unserer Fähigkeiten entdeckt, indem wir sie beobachtet hatten. Sie hatte Bryans Kraft, obwohl sie nicht so klobig, sondern groß und hager war. Und wie Kayleen war sie schnell und beweglich.
Kayleen kaute auf ihrer Unterlippe. »Glaubt ihr, dass irgendjemand außer uns mit ihr
Weitere Kostenlose Bücher