Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
dich davon zu erholen.«
    Joseph blickte sie an und streckte eine Hand aus, damit sie ihm eine Zwillingsbaumfrucht gab. »Danke. Ich höre die Netze nicht mehr. Ich fühle sie nicht mehr wie vorher. Ich will es auch gar nicht.« Er warf die Frucht vorsichtig von einer Hand in die andere, wie einen Ball. Dann stöhnte er leise, als ein Stachel in die Kuppe seines Ringfingers piekste. »Verstehst du es nicht? Ich konnte ihnen nicht helfen. Keinem von ihnen. Ich hörte sie sterben, und ich konnte nichts dagegen tun.« Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln, und er wischte sie mit dem Rücken seiner freien Hand weg. Dann wandte er das Gesicht von uns ab, um wieder zu den karoförmigen grünen Blättern aufzublicken.
    Eine Minute verging, bis Bryan das Schweigen brach. »Das muss ihnen klar gewesen sein. Sie wussten, dass du sie liebst. Aber was würden Steven und Therese jetzt von dir erwarten? Sie haben sich jede Stunde des Tages um die Sicherheit und die Bedürfnisse aller Stadtbewohner gekümmert, und jetzt tun Tom und Nava das Gleiche.« Er hielt kurz inne und runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass Nava schwierig ist, aber daran kann man sich gewöhnen. Ich habe es auch geschafft. Die Smiths mögen mich nicht, aber ich tue trotzdem, was getan werden muss. Und sie auch. Es ist nur etwas schwieriger.«
    Joseph zog die Rinde der Frucht mit einer kräftigen Drehung des Handgelenks ab. Der säuerlich-süße Duft breitete sich in der stillen Luft aus. »Mir gefällt die Arbeit, die ich jetzt mache. Es fühlt sich gut an, mit materiellen Dingen umzugehen, ein Rohr zu verlegen und zu sehen, wie Wasser hindurchfließt. Es geht mir schon viel besser.«
    Das war eine Lüge. In letzter Zeit hatte er kaum noch gelächelt. Er arbeitete nur noch, kam nach Hause und verschwand sofort in seinem Zimmer.
    Kayleen sprach meine Gedanken aus. »Also gut. Ich glaube, Jenna hat etwas sehr Wichtiges gemeint. Im Netz bist du der Beste von uns allen. Ich schaffe nicht, wozu du imstande bist. Und Jenna kann es offenbar auch nicht. Ich glaube sogar, dass sie überhaupt nicht in der Lage ist, Daten zu spüren. Sie ist wie Chelo. Sie hat andere Begabungen.«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Bryan. »Wir wissen nur, was wir beobachten können und was sie uns sagt. Und das ist nicht viel.«
    Ich runzelte die Stirn, als ich wieder das Bild vor Augen hatte, wie Jenna mit der toten Tatzenkatze dastand, die sie sich wie einen Mehlsack über die Schulter geworfen hatte. »Im ersten Jahr nach unserer Ankunft hat man sie gejagt. Sie hätten Jenna getötet, wenn sie es geschafft hätten, sie zu erwischen. Ich war damals erst fünf, aber ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sehr die Leute sie gehasst haben. Wer weiß, was sie allen verheimlicht – oder warum?«
    Der Alarm ertönte. Kayleen blickte in die Runde, dann verkündete sie: »Die Vagabunden!«
    Wir alle grinsten. Liam und Alicia. Zuerst der Geschichtenabend und dann der Markttag. Als Nächstes war der tiefe Ton des Versammlungssignals zu hören, der uns in die Stadt rief.
    Joseph und Kayleen liefen voraus. Bryan blieb bei mir. Ich war ihm dankbar für diese nette Geste. Mit meinem Bein schaffte ich wirklich nicht mehr als ein gemächliches Spaziergangstempo. Er hakte sich bei mir unter und stützte mich. Das Vergnügen, an seiner Seite zu gehen, entschädigte mich dafür, nicht in der Stadt zu sein, bevor die Vagabunden das Haus der Wissenschaftlergilde erreicht hatten.
    Als wir den Samtfluss überquerten, berührte die Sonne die Wagen der Vagabunden im Kleinen Samtpark. Sie strahlten in hellen Gelb- und Orangetönen. Die Farben waren gewählt worden, damit sie auf den Satellitenfotos gut vor dem grünen und grauen Hintergrund von Fremont erkennbar waren und wir ihren Weg verfolgen konnten. Aus der Entfernung sahen die Wagen wie bunte Blumen aus. Ich blieb kurz stehen, lehnte mich gegen das Brückengeländer und betrachtete die farbenfrohe Prozession, die angeleinten Gebras, die bunt gekleideten Vagabunden, die genauso wie wir auf dem Weg in die Stadt waren.
    Am Haus der Wissenschaftlergilde mussten wir uns durch das Getümmel drängen. Diener der Kulturgilde liefen an uns vorbei. Der alte Chub und seine Frau Kiki, gebeugt, aber immer noch gut zu Fuß, trugen langsam Tabletts voll geröstetem Djuri-Fleisch, aufgeschnittenem Brot und frischem Mais vor sich her. Chayla, die im Krieg eine Hand verloren hatte, balancierte Tabletts mit Gläsern des traditionellen Weizenbiers für den

Weitere Kostenlose Bücher