Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
schrubbte ich mir das Mehl von den Händen und vom Gesicht und lief über die Brücke zurück. Ich rannte fast so schnell, wie ich konnte, und ließ jeden sehen, welches Tempo ich als Modifizierte vorlegen konnte. Diesmal war es mir egal.
    Gleich hinter der Brücke saß Liam im Gras. Vielleicht wusste er, was los war. Er stand auf, als er meine rasenden Schritte hörte. Anscheinend hatte er auf mich gewartet. Ich wurde langsamer, dann schloss er sich meinem zügigen Gehtempo an.
    Ähnlich schnell kamen seine Worte. »Sie haben den ganzen Tag lang debattiert. Ich war nicht dabei, aber Akashi hat mir erzählt, wie es abgelaufen ist. Ruth hat versucht, den Stadtrat aus der Sache rauszuhalten. Zuerst behauptete sie, es wäre nicht weiter von Belang, und als das nicht klappte, sagte sie, für diese Angelegenheit wäre sie allein und nicht Artistos zuständig.« Er verzog das Gesicht. »Ich glaube, Nava wollte ihr zustimmen und hatte bereits zwei Ratsmitglieder auf ihrer Seite. Sie brauchte nur noch einen für eine Mehrheit.« Er warf mir einen Seitenblick zu und grinste mit funkelnden Augen. Auch er war ein begabter Geschichtenerzähler. Er hob die Stimme. »Dann meldete sich Akashi zu Wort und sagte, dass die Angelegenheiten der Vagabunden und der Stadtbewohner ein und dasselbe sind. Der einzige Grund, warum die richterliche Zuständigkeit getrennt wurde, ist die Tatsache, dass wir die meiste Zeit physisch getrennt sind, was wir in diesem Moment jedoch nicht sind. Es würde unsere Gesellschaft zerstören, wenn wir uns in zwei verschiedene Kulturen aufspalten. Als schließlich abgestimmt wurde, hatte Nava nur noch Ruth auf ihrer Seite.«
    Ich lachte und stellte mir Navas Gesicht vor. Sie schaffte es fast immer, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, aber ihre Haut verriet deutlich, in welcher emotionalen Verfassung sie war. Wie bei einem verwöhnten Kind flammte sie rot auf, wenn sie zornig war oder unter Stress stand. So war es auch heute früh in der Küche gewesen. »Was passiert jetzt?«
    »Sie werden die Sache öffentlich verhandeln. Heute Abend im Amphitheater. Ruth muss sich zurückhalten, aber sie sagte, dass wir alle erfahren müssen, wie gefährlich Alicia ist.«
    Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Alicia ist nicht gefährlich.«
    Liam zuckte mit den Schultern, als wäre dieser Punkt völlig selbstverständlich. »Jeder kann zur Verhandlung kommen. Da ich heute nicht gearbeitet habe, bin ich sofort hingegangen und habe uns ganz vorn ein paar Plätze freigehalten. Als die anderen eintrafen, bin ich losgegangen, um dich zu suchen. Paloma wird sich uns anschließen. Akashi nimmt seinen Platz als Mitglied des Stadtrats ein, da die Angelegenheit auch die Vagabunden betrifft.«
    »Ruth auch?«
    »Ja«, sagte Liam angewidert.
    Wir liefen am Parkrand entlang. Ich sah Gianna und Sophia, die nebeneinandergingen und sich unterhielten, und etwas weiter entfernt zwei Paare mit Kindern, die ebenfalls zum Amphitheater unterwegs waren. Die Sonnenstrahlen fielen schräg durch den Park und verlängerten die Schatten der Zwillingsbäume. Obwohl es noch recht früh war, würde es schon bald dunkel werden.
    Ich setzte mich zwischen Paloma und Liam. Hinter Paloma saßen Kayleen, Bryan und Joseph. Ganz am Ende hockte Alicia, ein kleines Stück von Joseph entfernt. Sie blickte zu mir hoch, als wir eintrafen, und sie sah wie ein Vogel im Käfig aus. Aber in ihren Augen leuchtete Entschlossenheit, als wäre sie in Wirklichkeit ein dünner, hungriger Raubvogel. Gianna setzte sich neben Alicia auf die Bank, begrüßte uns mit einem leichten Lächeln und wandte den Blick dann dem Podium zu.
    Sitzungen fanden nur selten statt, und normalerweise gingen nur die Betroffenen und vielleicht noch ihre Familienangehörigen hin.
    Heute strömten die Menschen in Scharen ins Amphitheater, in kleinen Familien- oder Sippenverbänden. Über die Hälfte aller erwachsenen Bewohner von Artistos und ein paar Kinder waren da. May und Klia saßen mit ein paar anderen Jugendlichen zusammen, aber nicht in unserer Nähe. Ich sah Sky vier Reihen über uns, wo sie mit zwei Leuten aus ihrer Sippe Platz genommen hatte. Sie lächelte uns kurz zu und nickte leicht, dann wandte sie sich wieder ihren Freundinnen zu.
    So wurden in Artistos innergemeinschaftliche Probleme gelöst – in einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats. Jeder, der etwas zu sagen hatte, konnte sich zu Wort melden.
    Ich hatte es noch nie getan.
    Nava würde die Verhandlung leiten. Die

Weitere Kostenlose Bücher