Sternenwind - Roman
ebenfalls und befreite mich von der Furcht, dem Adrenalin und dem Schock der Jagd. Plötzlich schmerzten meine Muskeln, mein Bein tat weh, und die Hand brannte, wo ich mich am Stein geritzt hatte. Mein Herz raste. Aber unter dem Schmerz war ein Hochgefühl. Ich hatte das Tier besiegt. Ich war zu einer Jägerin geworden. Es fühlte sich völlig ungewohnt an, wie eine Haut, die perfekt passte, aber nie zuvor da gewesen war, nicht einmal in meiner Vorstellung.
Joseph kam zu mir. Sein Brustkorb hob und senkte sich, sein Gesicht war mit Schweiß und Schmutz bedeckt, und er hatte Blut an den Händen. Seine Augen strahlten. Ich drückte ihn fest an mich, und so standen wir für einen Moment gemeinsam da, Bruder und Schwester auf einer ganz neuen Ebene. Ich überzeugte mich, dass die Kommunikationsverbindung geschlossen war, und flüsterte ihm ins Ohr: »Danke.«
Er blickte auf meine Jagdbeute und nickte. »Keine Ursache.«
Ich schaute mich nach Jenna um, aber von ihr war nichts zu sehen. Falls sie unsere Jagd beobachtet hatte, legte sie keinen Wert darauf, sich uns zu zeigen.
Josephs Djuri war größer als meins. Er hatte es sauber erlegt. Das Blut kam von seiner Hand, die er sich an einem langen, anmutig geschwungenen Horn aufgeritzt hatte. Sein Tier war viel zu groß, um es von der Stelle bewegen zu können. Also schleiften wir meins zu seinem hinüber. Meins sah im Tod klein aus, und als ich es musterte, war ich mir nicht sicher, was als Nächstes zu tun war. Unsere langen Messer waren in unserem Gepäck bei Tom und Paloma. Joseph hatte sein kleines dabei, mit dem er seine Tierfiguren schnitzte. Er nahm es in die Hand und starrte es an. Für diese Aufgabe wirkte es völlig ungeeignet.
Wir blickten auf, als wir die schnellen Schritte eines Gebras und Toms Stimme hörten.
»Chelo, Joseph!« Er kam mit Palomas Gebra Sand herangaloppiert und schaute sich hektisch um. Oben auf dem Weg war nichts mehr von Paloma, Kayleen oder Alicia zu sehen. Nur Tiger und Sprinter standen noch dort, wo wir sie zurückgelassen hatten, offenbar angeleint. Tom drehte den Kopf ruckhaft in diese Richtung. Seine Stimme hatte eine zornige Schärfe, die ich noch nie gehört hatte. »Holt eure Tiere und bringt sie hierher, sofort.«
»Wo sind Alicia und Kayleen?«, fragte ich.
»Ich habe sie zu Paloma geschickt.« Er blickte mit finsterer Miene auf mich herab, und ich kam mir auf einmal nackt und kindisch vor. »Ich musste sie allein lassen, weil ich mich um euch kümmern musste.« Er keuchte. »Allein. Hier draußen.« Er richtete seinen Blick auf Joseph. »Geht niemals, niemals ohne Betäubungswaffe auf die Jagd. Tierkadaver locken Tatzenkatzen an. Ich werde sie bewachen, während ihr eure Gebras herbringt, wo es sicher ist.«
»Hier ist es sicher«, sagte Joseph ruhig, aber in seinen Worten schwang ein Zorn mit, der genauso intensiv wie der von Tom war. »Ich kann die Netze hören. Hier funktionieren zwei Knoten.« Er zeigte auf den Mast in der Nähe der Gebras. »Auch der große Knoten ist zum Teil aktiv. Das Netz ist dicht genug, um alles von der Größe einer Tatzenkatze zu identifizieren, das sich in der Nähe aufhält.«
Tom schürzte die Lippen und blickte sich immer wieder um. »Keine Dämonenhunde oder wilde Orris. Holt jetzt eure Tiere.«
Wir drehten uns gleichzeitig um und liefen langsam über die Wiese zurück. Es war schwieriger, durch das Gras zu gehen, als zu rennen. Die Anstrengung ließ mein Bein schmerzen. Ich blickte zu Joseph, der mit gesenktem Kopf ging. »Er ist wütend.«
»Ich weiß«, murmelte Joseph. Dann schwiegen wir eine Weile schockiert und erschöpft. Als wir den Hügel hinaufstiegen, blieb Joseph plötzlich mit verwirrtem Gesichtsausdruck stehen. Er schob eine Hand in die Tasche und zog den Datenspeicher hervor. »Ich spüre etwas. Hier sind noch mehr. Von diesen Dingern. Irgendwo in der Nähe.« Er drehte den Speicher mehrmals in der blutigen Hand und hatte nachdenklich die Stirn gerunzelt. »Wir müssen sie finden.«
Ich seufzte, während ich mich fragte, wie sehr wir die Jagd bereuen würden. »Ich glaube kaum, dass man uns in nächster Zeit weitere Alleingänge erlauben wird.«
Er lächelte. »Es hat sich gelohnt.«
»Vielleicht.«
Tiger sah mich an und schnaubte, dann schüttelte sie den Kopf. Ihr Blick wirkte anders, als würde sie mich jetzt als Raubtier betrachten, als hätte meine Jagd etwas zwischen uns verändert. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber sie stand still da und wandte den
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