Sterntaler: Thriller (German Edition)
nur noch Brett Easton Ellis’ »American Psycho« einen ähnlichen Aufschrei verursacht.
Die Erzählungen enthielten stark überzogene gewaltpornografische Sequenzen, die immer mit dem Tod endeten. Widerliche Schilderungen von Lustmorden an Frauen in unterschiedlichen Zusammenhängen. Fredrika selbst hatte die Bücher nicht gelesen, aber sie hatte sich schon immer gefragt, woher das Gerücht stammte, dass Thea Aldrin sie geschrieben haben sollte. Der Verlag Box, der die Bücher veröffentlicht hatte, hatte sich geweigert, darüber Auskunft zu geben. Und so hätten die Gerüchte um Thea Aldrins Beteiligung an den Büchern durchaus auch im Sande verlaufen können, wäre nicht 1980 plötzlich ihr Sohn verschwunden.
Schon als kleines Kind schien dieser Sohn ein wunder Punkt in Theas Vita gewesen zu sein. Die Schriftstellerin hatte sich nur einige wenige Male interviewen lassen. Sie weigerte sich konsequent, sich über ihr Familienleben zu äußern, und schützte die Identität ihres Sohnes wie eine Löwin. Es gab nur ein einziges Bild von dem Jungen, als er klein war, und dieses Bild war, wie in dem dazugehörigen Artikel berichtet wurde, während der Premiere eines britischen Kinderfilms in Stockholm gemacht worden. Das war im Jahr 1969 gewesen, und der Junge war damals fünf Jahre alt. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und sah bockig in die Kamera.
Fredrika beugte sich vor, um das Bild eingehender zu betrachten, doch die Kopie war so schlecht, dass sie kaum Details erkennen konnte. Es sah so aus, als würden der Junge und Thea, von Menschen umdrängt, im Eingang zu einem Kino stehen. »Thea Aldrin«, stand in dem Artikel, »ein seltener Gast auf Premieren, kam an diesem Abend in Begleitung ihres Sohnes Johan. Die Schriftstellerin interessiert sich sehr für Filme und gehört dem exklusiven Filmclub ›Sterntaler‹ an, der sich regelmäßig trifft, um alte und neue Filme zu sehen und zu besprechen.«
Sterntaler.
Fredrika erinnerte sich an die Disketten, die sie von Rebeccas Tante mitgebracht hatte. Eine von ihnen war mit ebendiesem Wort– Sterntaler – bezeichnet gewesen. Sie durfte nicht vergessen, damit zur Technik zu gehen.
Sie konzentrierte sich wieder auf den Artikel. Die verschwommene Bildunterschrift lautete: »Thea und Johan Aldrin. Im Hintergrund Morgan Axberger, auch er Mitglied der ›Sterntaler‹.«
Morgan Axberger, ehemals Geschäftsführer und jetzt Vorstandsvorsitzender des Axberger-Konzerns, in dem Valter Lund tätig war. Sie sah Morgan Axberger vor sich, einen Mann, der in jeder Hinsicht die Personifizierung des Machtbegriffs war. Hochgewachsen und stattlich. Autoritär. Er hatte in den Siebzigerjahren das Imperium seines Vaters geerbt und seitdem mit eiserner Hand gelenkt. Und auch wenn er kürzlich seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hatte, rechnete niemand damit, dass er sich in absehbarer Zeit aufs Altenteil zurückziehen würde, zumal nicht klar war, wer sein Amt eines Tages übernehmen sollte. Es gab keine Erben.
Wahrscheinlich hatte Rebecca versucht, Morgan Axberger zu treffen, um mit ihm über den Filmclub zu sprechen.
Fredrika suchte die Kopie von Rebeccas Kalender heraus, die sie von Peder bekommen hatte, und blätterte sie durch, konnte aber Axbergers Namen nirgends finden. Wahrscheinlich war es nicht so einfach gewesen, bei einem der einflussreichsten Männer der schwedischen Wirtschaft einen Termin zu bekommen. Hatte man allerdings Valter Lund als Mentor, dann sollte es nicht unmöglich gewesen sein.
Frustriert verschob Fredrika die Frage auf später und beschloss, eine Pause zu machen. Sie suchte die Disketten heraus, die sie aus Rebeccas Hinterlassenschaften mitgenommen hatte, und ging mit ihnen zur Technik hinüber. Im Flur begegnete sie Peder, der fast zusammenzuckte, als er sie erblickte. »Hallöchen…«
Sie lachte. »Hallöchen?«
Er blieb stehen. »Was ist?«
»Nichts. Es war einfach nur die Art, in der du gegrüßt hast. Ich hätte nie gedacht, dass du ein ›Hallöchen‹ über die Lippen bringst.«
Peder zuckte mit den Schultern und schien sich zu einem Lächeln zu zwingen. Dann ging er weiter.
Irgendetwas stimmte nicht, das spürte Fredrika, aber die Neugier darüber, was sie auf den Disketten finden würde, verdrängte ihren Verdacht.
Die Technik war so gut wie verwaist. Der Einzige, der ihr helfen konnte, war einer der Systemadministratoren.
»Du willst wissen, was auf den Disketten drauf ist?«
»Genau. Und wenn das Material nicht allzu
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