Sterntaler: Thriller (German Edition)
schwer zu finden sein. Sofern sie nicht das Land verlassen hat oder tot ist.«
Alex hielt das Papier umklammert. »Wir werden sie finden.«
Er war nicht er selbst. Fredrika sah die Veränderung, konnte sie aber nicht verstehen. Am Ende musste sie ihre Ängste in Worte fassen.
»Es ist nichts«, sagte Spencer. »Ich habe mich die letzten Tage einfach nicht gut gefühlt.«
Fredrika schüttelte den Kopf. »Du lügst mich an.«
Eine Feststellung unter vielen.
Er sah sie an. »Ich habe dich noch nie angelogen. Wenn du auf meine Vergangenheit anspielst– da habe ich nie gelogen.«
»Du lügst jetzt, Spencer. Es geht hier nicht darum, dass du in der letzten Woche irgendwie schlecht drauf warst, sondern um etwas ganz anderes.«
Die Ruhe in ihrer Stimme vermochte sich nicht auf ihn zu übertragen. Er war zu rastlos, konnte nicht mehr neben ihr auf dem Sofa sitzen. Als er sich erhob, sah sie, dass es ihm schwerfiel, richtig zu stehen.
»Ist dein Bein schlimmer geworden? Oder ist es die Hüfte?«
»Keines von beiden, ich bin nur ein bisschen verspannt.«
Wieder eine Lüge. Und jetzt wollte sie keine weiteren mehr hören. »Wir gehen nicht schlafen, ehe du erzählt hast, was passiert ist!« Sie erhoben nur selten die Stimme, wenn sie Streit hatten, aber diesmal tat sie es. Aus Frust und aus Trauer. »Erklär mir, warum du so plötzlich in Elternzeit gehen wolltest.«
Sein Blick richtete sich auf sie, war schwarz wie von Trauer und Wut. »Du hast mir auch nicht alles erzählt.«
Fredrika zuckte zurück, als der Vorwurf kam. »Ich? Spencer, ich habe dir nichts zu erzählen, was du nicht schon wüsstest.«
Sie sah ihm an, dass er nicht wusste, was er glauben sollte. Was zum Teufel war hier eigentlich los?
»Eva hat heute angerufen.« Es sollte lässig klingen, missriet ihm aber vollkommen.
»Hat es etwas mit ihr zu tun?«
»Sie lässt grüßen.«
Sie spürte, wie seine Wut das ganze Zimmer ausfüllte, ohne dass er eine Ahnung hatte, woher sie kam.
»Wie nett. Geht’s ihr gut?«
Er schnaubte und wandte sich ab. Auf die Krücke gestützt, bewegte er sich zum Fenster, wo er mit dem Rücken zu ihr stehen blieb.
»Was wollte sie?«
Er antwortete nicht.
Fredrika versuchte, ruhig zu bleiben. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals in einen solchen Streit geraten wären. Wenn sie nicht die Fähigkeit besessen hätten, miteinander zu reden, hätte ihre Beziehung nicht so viele Jahre überlebt. Sie hatten immer ein Gefühl dafür gehabt, welche Worte der andere gerade hören musste und welche Formulierungen in welcher Situation richtig waren.
Das hier war neu und fremd. Es war offensichtlich, dass sich Spencer in einer Krise befand und dass im Lauf des Tages irgendetwas geschehen war, das diese Krise verschlimmert hatte. Dennoch beschloss er zu schweigen und sie auszuschließen.
Verzweiflung und Furcht machten sich in ihr breit.
»Du musst es mir erzählen, Spencer. Was ist los?«
Sie sah, wie er jeden Gesichtsmuskel anspannte; die Kiefer mahlten. »Nichts«, sagte er schließlich. »Rein gar nichts.«
Peder war immer noch im Büro. Fredrika schien, ohne es zu ahnen, ihren Lebensgefährten gerettet zu haben, indem sie den Mentor Valter Lund ins Spiel gebracht hatte.
Peder klickte sich durch die Ermittlungsdatei und las sich Alex’ Aufzeichnungen aufmerksam durch.
Es gab Hinweise darauf, dass Rebecca und Lund eine engere Beziehung gehabt hatten, als das Ermittlerteam zunächst angenommen hatte. Als überhaupt irgendjemand angenommen hatte. Alex hatte gesagt, dass er im Lauf des Abends mit Rebeccas Mutter reden würde. Irgendwie hatte das in Peders Ohren seltsam geklungen. Warum rief Alex am Abend bei Diana Trolle an? Kannten die beiden einander privat? Aber er hatte nichts dazu gesagt.
Er sah auf seine Uhr. Er sollte nach Hause gehen.
Jimmy rief an und freute sich, als Peder zum zweiten Mal an diesem Tag ranging. Seine Stimme schenkte Peder Seelenfrieden. Niemand war besser darin als Jimmy, das Schwere leicht zu machen.
Als Peder ihn reden hörte, sah er seinen Bruder vor sich, wie er als Kind gewesen war. Stark und eigensinnig. Peder selbst war ängstlich und unsicher gewesen, immer einen Schritt hinter ihm.
Die Erinnerung an das Unglück des Bruders würde niemals ganz verblassen. Wann immer er wollte, konnte er das Bild von Jimmy vor Augen sehen: wie der Bruder höher und höher schaukelte, bis die Schaukel so aussah, als würde sie umschlagen, und wie er dann plötzlich abrutschte und
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