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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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zu schleppen, aber war es auch der Mann von früher? Der Mann von früher hatte ihm nicht weh getan. Ein großer, dunkler Mann, dessen Gesichtszüge verschwammen, ein Mann mit einem schweren Fuß, den er auf den Traktor stellte, den Dorian über den Boden schob, ein Mann, dessen leise Stimme sagte: Sei nicht so laut. Das war alles. Nein, das war nicht alles, da war noch ihre Stimme, Katjas Stimme, die aus einem anderen Zimmer kam: »Hör auf, Scheißkerl, laß mich in Ruhe.« Katja sagte: »Wir gehen hier wieder weg.« Wie war das zugegangen? Er hatte sie bestimmt nicht geschlagen, denn sie ließ sich nicht schlagen, sie nicht.
    Kemper schien seine Gedanken zu lesen, denn er sagte blöde: »Ja, Bengelchen, du bist groß geworden. Und ein Wachtmeister bist du auch, oder hast du das vom Fasching übrig?«
    »Sie kriegen dich.« Robin beschloß wohl, daß es Zeit war, mit dem Geplänkel aufzuhören. Seine Stimme war schrill. »Die Polizei weiß von dir, und wenn du mich nicht in Ruhe läßt, weiß sie noch mehr.«
    Kemper beachtete ihn nicht. Er legte den Kopf zurück und schien seine Worte von der Decke abzulesen. »Dorian, sag deinem Brüderchen, es soll aufhören, sich in Dinge zu mischen, die es nichts angehen, dann bin ich der erste, der den Kleinen in Ruhe läßt. Mal davon abgesehen, daß ihr nichts in der Hand habt und niemand euch glauben wird – das ist nichts für Kinder.«
    Aber Kinder schlagt ihr doch halb tot, erinnern Sie sich? Robin war zwölf damals und weinte. Das ist doch ein Kind, sagte sie, und Dorian hörte ihre Stimme so deutlich, als stünde sie neben ihm. Die Frau aus dem Folterhaus trug wieder ihre hochhackigen Nuttenschuhe und sagte: Das ist doch ein Kind.
    Wieder guckte Kemper genau in seinen Kopf hinein. Er legte die Fingerspitzen aneinander, und seine Brauen zogen sich zusammen. »Damals, das hat nicht sein sollen«, sagte er leise. »Das hab ich nicht gewollt. Ich hab euch nicht erkannt, natürlich nicht. Ich verstehe nicht, warum Robin sich da jetzt dranhängen will, er sollte es besser wissen.«
    »Spielt sich auf wie die Mafia«, schrie Robin los, doch Dorian sah, daß er Abstand hielt. »Du kannst mir nix verbieten, hörste? Dazu hast du zuviel Dreck am Stecken.« Er deutete auf Dorian. »Ein Wort von ihm zu seinen Kollegen, und du bist am Arsch, Mann, Feierabend, die kommen dich holen.« Er machte kleine Schritte vor und zurück. Sag was, brüllten seine Augen Dorian an.
    »Bengelchen«, sagte Kemper, und Dorian wußte nicht, zu wem er jetzt sprach. Er schlug die Beine übereinander, ein entspannter Plauderer in seinem eleganten Reich. »Ihr habt eurer Mama das Herz gebrochen.« Heiter und leicht wie ein Vogel flog seine Stimme durch die Luft. »Sie euch vermutlich auch. Dinge, die außer Kontrolle geraten sind, muß man begraben.« Nun endlich sah er Robin direkt an. »Halt dich dran. Kauf dir einen Anzug und mach eine Banklehre, da bist du besser bedient.«
    »Quatschkopp«, sagte Robin.
    Kemper verzog die Lippen zu einem flüchtigen Lächeln, das wie die Flamme eines Feuerzeugs wieder verschwand. »Nach diesem Malheur damals ist sie gegangen, ich dachte nicht, daß sie das jemals tut. Was für ein Ziel sollte sie denn haben, sie hat doch nichts. Schau mal, sie hat mir auch mit allem möglichen gedroht, falls ich sie verfolge, das hast du von ihr geerbt. Sie weiß aber auch sehr genau, daß sie gut daran tut, nichts zu unternehmen, denn ich weiß auch etwas von ihr.« Er rieb die Hände aneinander und sah aus, als würde er sich gleich auf die Schenkel schlagen. »Es beruht immer alles auf Gegenseitigkeit. Junge, ich tu euch allen nichts, wenn ihr mir nichts tut.«
    »Wo ist die jetzt?« Robin hatte diese Frage so beiläufig wie möglich gestellt, doch er hampelte hin und her.
    Kemper legte einen Finger auf die Lippen, als gäbe es ein Geheimnis auszuplaudern, jetzt und hier. »Sie ist untergetaucht – sagt man das? Nein.« Er schüttelte den Kopf. »So wild ist es nicht. Irgendwo schlägt sie sich wohl durch, das muß sie lernen. Sie ist ja nun nicht der Typ für harte Arbeit, richtig gearbeitet hat sie noch nie. Also, Robin, mach’s besser.«
    »Das sowieso«, sagte Robin, und in seiner Stimme lag Verachtung. »Da gehört nix zu.«
    Dorian fing an, im Zimmer hin- und herzugehen, unter seinen Füßen lag ein weicher Teppich. Mit seinem Schlagstock drückte er die Tür zum Nebenzimmer auf und sah ein breites Bett. »Ja.« Kempers Stimme kroch hinter ihm her. »Das ist jetzt ein

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