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Sternwanderer

Titel: Sternwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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aus einem kaputten Blasebalg gedrückt. Die überlebenden Söhne hoben die Köpfe: Primus, der Älteste, mit weißen Haaren in seinem dichten braunen Bart, einer Adlernase und grauen Augen, blickte erwartungsvoll; Tertius, mit rot-goldenem Bart und rehbraunen Augen, blickte wachsam; Septimus, mit einem noch nicht ganz ausgereiften schwarzen Bart, groß und krähenähnlich, blickte ausdruckslos wie immer.
    »Primus, geh zum Fenster.«
    Gehorsam ging Primus zur Öffnung in der Felswand und schaute hinaus.
    »Was siehst du?«
    »Nichts, Sire. Nur den Nachthimmel über uns und die Wolken unter uns.«
    Der Alte erschauerte unter dem Bärenfell, mit dem er zugedeckt war.
    »Tertius, geh zum Fenster. Was siehst du?«
    »Nichts, Vater. Es ist so, wie Primus gesagt hat. Über uns erstreckt sich der Abendhimmel in der Farbe eines Blutergusses, und die Welt unter uns ist von Wolken bedeckt, grau und unruhig.«
    Nun zuckten die Augen des Alten wie bei einem Raubvogel. »Septimus, jetzt du… zum Fenster.«
    Septimus schlurfte zum Fenster und stellte sich neben seine älteren Brüder, allerdings in einem gewissen Sicherheitsabstand.
    »Und du? Was siehst du?«
    Auch Septimus schaute hinaus durch die Öffnung. Der bitterkalte Wind trieb ihm die Tränen in die Augen. Am dunklen Himmel flimmerte schwach ein Stern.
    »Ich sehe einen Stern, Vater.«
    »Ahh«, ächzte der einundachtzigste Lord. »Bringt mich zum Fenster.« Seine vier toten Söhne blickten ihn traurig an, als die drei lebenden ihn zum Fenster trugen. Dort stand der Alte, schwer auf die breiten Schultern seiner Kinder gestützt, und starrte in den bleiernen Himmel.
    Seine dünnen Krallenfinger mit den geschwollenen Gelenken fummelten an dem Topas herum, der an einer schweren Silberkette um seinen Hals hing. Unter dem Griff des alten Mannes zerriß sie, als bestünde sie aus Spinnweben, und er hielt den Topas in der Faust, während die Enden der Kette zu beiden Seiten herabbaumelten.
    Die toten Lords von Stormhold wisperten untereinander mit den Stimmen der Toten, die klingen wie fallender Schnee: Der Topas enthielt die Macht von Stormhold. Wer ihn trug, war Herr über Stormhold, sofern das Blut der Stormholds in ihm floß. Welchem seiner überlebenden Söhne würde der einundachtzigste Lord den Stein nun geben?
    Die lebenden Söhne schwiegen und machten ein erwartungsvolles oder wachsames beziehungsweise ausdrucksloses Gesicht (wobei die Ausdruckslosigkeit trügerisch war, wie eine glatte Felswand, an der man hochklettert und auf halbem Wege merkt, daß man sie nicht bewältigen kann, es aber auch keinen Weg zurück gibt).
    Der alte Mann machte sich von seinen Söhnen los und reckte sich zu voller Größe empor. Einen Herzschlag lang war er der Lord von Stormhold, der die Goblins des Nordens in der Schlacht von Cragland’s Head bezwungen hatte, der mit drei Frauen acht Kinder – davon sieben Söhne – gezeugt hatte, der alle seine vier Brüder im Kampf getötet hatte, ehe er zwanzig war, obgleich sein ältester Bruder beinahe fünfmal so alt war wie er und ein ruhmreicher Krieger. Dieser Mann hielt nun den Topas empor und sprach vier Worte in einer lange ausgestorbenen Sprache; Worte, die in der Luft dröhnten wie die Schläge eines riesigen Bronzegongs.
    Dann warf er den Stein in die Luft. Die lebenden Brüder hielten den Atem an, als der Stein in hohem Bogen über die Wolken sauste. Er erreichte den Zenit der Kurve, stieg jedoch gegen jede Regel der Vernunft immer weiter in die Lüfte.
    Jetzt glitzerten noch andere Sterne am Nachthimmel.
    »Demjenigen, der den Stein zurückgewinnt, den Stein, der die Macht von Stormhold verkörpert, demjenigen hinterlasse ich meinen Segen und die Regentschaft über Stormhold und seine Herrschaftsgebiete«, sprach der einundachtzigste Lord. Allmählich verlor seine Stimme wieder ihre Kraft, bis sie nur noch das Krächzen eines uralten Mannes war, wie das Ächzen des Windes in einem verlassenen Haus.
    Lebende wie tote Brüder starrten auf den Stein, der in den Himmel aufstieg und schließlich verschwand.
    »Sollen wir jetzt vielleicht jeder einen Adler fangen und satteln, der uns in den Himmel trägt?« fragte Tertius, ratlos und verärgert.
    Doch sein Vater erwiderte nichts. Das letzte Licht des Tages erstarb, und über ihnen schienen die Sterne, zahllos in ihrer Glorie.
    Da fiel ein Stern vom Himmel.
    Tertius glaubte, in ihm den ersten Stern des Abends erkannt zu haben, den sein Bruder Septimus erwähnt hatte. Aber er war nicht ganz

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