Sternwanderer
auf dem Weg bleiben, sind wir sicher«, antwortete der kleine haarige Mann, setzte seinen Tornister ab, ließ sich ins Gras fallen und starrte in die Bäume empor.
Die bleichen Bäume bebten, obwohl kein Wind ging, und es kam Tristran vor, als bebten sie vor Wut.
Auch sein Gefährte hatte angefangen zu zittern, und seine Finger strichen unruhig durch das grüne Gras. Dann blickte er zu Tristran empor. »Ihr habt nicht zufällig eine Flasche Hochprozentiges dabei? Oder vielleicht eine Kanne heißen, süßen Tee?«
»Nein«, antwortete Tristran, »tut mir leid.«
Der kleine Mann schniefte und fummelte am Schloß seines riesigen Tornisters. »Dreht Euch um«, sagte er zu Tristran.
Tristran wandte sich ab.
Ein Wühlen und Kramen war zu hören. Dann klickte das Schloß wieder zu, und der kleine Mann sagte: »Ihr könnt Euch wieder umdrehen, wenn Ihr möchtet.« In der einen Hand hielt er eine Emailleflasche, an deren Stöpsel er vergeblich zog.
»Soll ich Euch vielleicht helfen?« Tristran hoffte, daß er den kleinen Mann mit seinem Angebot nicht beleidigte. Doch da drückte ihm sein Gefährte die Flasche schon bereitwillig in die Hand.
»Bitte sehr«, sagte er. »Ihr habt die richtigen Finger dafür.«
Tristran zog und zerrte den Stöpsel aus der Flasche. Ein berauschender Geruch schlug ihm entgegen, wie von Honig gemischt mit Holzrauch und Nelken. Er gab dem kleinen Mann die Flasche zurück.
»Es ist ein Verbrechen, etwas so Rares und Wertvolles aus der Flasche zu trinken«, meinte dieser. Rasch löste er die kleine Holztasse von seinem Gürtel und goß mit zitternder Hand eine kleine Portion der bernsteinfarbenen Flüssigkeit hinein, roch daran, trank und lächelte breit, so daß man seine kleinen scharfen Zähne sah.
»Ahhhh. Jetzt geht’s schon besser.«
Er reichte Tristran die Tasse.
»Trinkt langsam«, riet er ihm. »Diese Flasche ist ein Vermögen wert. Hat mich zwei große weißblaue Diamanten gekostet, eine mechanische Singdrossel und eine Drachenschuppe.«
Tristran nippte an dem Gebräu. Sofort durchlief es ihn warm bis hinunter in die Zehen, und er hatte das Gefühl, sein Kopf wäre gefüllt mit winzigen Luftbläschen.
»Gut, was?«
Tristran nickte.
»Viel zu gut für Leute Euren oder meines Schlags, fürchte ich. Trotzdem. In Notzeiten erfüllt es hundertprozentig seinen Zweck, und jetzt ist eindeutig eine solche. Machen wir, daß wir aus diesem Wald rauskommen«, sagte der kleine haarige Mann. »Welche Richtung…?«
»Hier lang«, sagte Tristran und zeigte nach links.
Der kleine Mann verkorkte die Flasche und steckte sie wieder ein, setzte den Tornister auf, und dann wanderten sie zusammen auf dem grünen Pfad durch den grauen Wald.
Mehrere Stunden später wurden die weißen Bäume spärlicher, bald hatten sie den Sengwald hinter sich und gingen zwischen zwei niedrigen Steinmauern auf einer hohen Böschung entlang. Als Tristran zurückschaute, war der Wald gänzlich verschwunden; hinter ihnen erstreckten sich rötliche, heidekrautbewachsene Hügel.
»Hier können wir haltmachen«, meinte Tristrans Gefährte. »Wir müssen uns über ein paar Dinge unterhalten. Setzt Euch.«
Er legte seinen riesigen Tornister ab und kletterte darauf, so daß er auf Tristran herabsah, der sich auf einem Stein neben dem Weg niedergelassen hatte. »Da ist was, das versteh’ ich nicht recht. Also, erklärt es mir. Woher kommt Ihr?«
»Aus Wall«, antwortete Tristran. »Das hab’ ich Euch doch schon gesagt.«
»Wer sind Eure Eltern?«
»Mein Vater heißt Dunstan Thorn. Meine Mutter ist Daisy Thorn.«
»Hmmm. Dunstan Thorn… Hmmmm. Ich bin Eurem Vater einmal begegnet. Er hat mir eine Nacht Unterschlupf gewährt. Kein übler Bursche, obwohl er einen manchmal nicht zum Schlafen kommen läßt.« Er kratzte sich an der Schnauze. »Aber das erklärt noch lange nicht… in Eurer Familie gibt es nichts Ungewöhnliches, oder?«
»Meine Schwester Louisa kann mit den Ohren wackeln.«
Abschätzig ließ der kleine Mann seine eigenen großen, pelzigen Ohren spielen. »Nein, nicht so was«, sagte er. »Ich hab’ da eher an eine Großmutter gedacht, die eine große Verführerin war, oder einen Onkel, der ein berühmter Zauberer war, oder irgendwo im Stammbaum ein paar Feen.«
»Nicht daß ich wüßte«, gestand Tristran.
Der kleine Mann probierte es anders. »Wo ist das Dorf Wall?« fragte er. Tristran deutete in eine Richtung. »Wo sind die Bestreitbaren Hügel?« Wieder deutete Tristran ohne Zögern. »Wo sind
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