Sternwanderer
verkündeten, daß der Kutscher im Stall übernachten würde.
Zum Abendessen gab es Hammeleintopf und frisches Brot, das noch dampfte, als sie es anbrachen, und jeder der drei Herren nahm eine ungeöffnete Flasche des feinsten Baragunderweins (denn keiner wollte eine Flasche mit den anderen teilen oder auch nur erlauben, daß der Wein aus der Flasche in einen Krug gegossen wurde). Für den Gnom war das ein Skandal, denn er vertrat die Ansicht – die er allerdings nicht in Hörweite der Gäste äußerte –, daß der Wein atmen mußte.
Der Kutscher aß einen Teller Eintopf, trank zwei Krüge Bier und legte sich zum Schlafen in den Stall. Die drei Brüder zogen sich auf ihr jeweiliges Zimmer zurück und verrammelten die Tür.
Tertius hatte Letitia, dem Stubenmädchen, eine Münze zugesteckt, als diese ihm die Wärmflasche für sein Bett brachte, und deshalb war er nicht überrascht, als er kurz vor Mitternacht leise Schritte an seiner Tür hörte.
Sie trug ein weißes Hemdchen und knickste mit einem scheuen Lächeln, als er die Tür öffnete. In der Hand hielt sie eine Flasche Wein.
Er schloß die Tür hinter sich und führte sie zum Bett, wo er, nachdem er ihr das Hemd ausgezogen, ihr Gesicht und ihren Körper im Kerzenschein betrachtet, ihre Stirn, ihre Lippen, ihre Brustwarzen, ihren Nabel und ihre Zehen geküßt und die Kerze gelöscht hatte, mit ihr vögelte – wortlos im bleichen Mondlicht.
Nach einiger Zeit grunzte er und lag still.
»Siehst du, Schätzchen, das war doch gut, oder?« fragte Letitia.
»Ja«, antwortete Tertius wachsam, als wäre in ihren Worten eine verborgene Falle. »Das war es.«
»Willst du vielleicht noch mal, ehe ich gehe?«
Statt einer Antwort deutete Tertius zwischen seine Beine. Letitia kicherte. »Oh, den kriegen wir im Handumdrehen wieder groß«, versprach sie, entkorkte die Weinflasche, die sie mitgebracht und neben das Bett gestellt hatte, und reichte sie Tertius.
Er grinste, nahm gierig ein paar Schlucke und zog Letitia an sich.
»Na, das fühlt sich doch gut an«, sagte sie. »Also, Schätzchen, diesmal zeig’ ich dir, wie ich es gern habe… was ist denn jetzt los?« Lord Tertius von Stormhold wand sich mit weit aufgerissenen Augen auf dem Bett und atmete keuchend.
»Der Wein«, japste er. »Woher hast du ihn?«
»Von Eurem Bruder«, antwortete Letty. »Ich bin ihm auf der Treppe begegnet. Er hat mir gesagt, das ist ein gutes Stärkungsmittel und macht schnell wieder groß und steif, so daß uns eine Nacht bevorsteht, die wir nie vergessen werden.«
»Ganz richtig«, hauchte Tertius, zuckte einmal, zweimal, dreimal und lag dann still. Und ward ganz steif.
Tertius hörte Letitia aus weiter Ferne schreien und bemerkte die vertraute Gegenwart von vier Gestalten, die mit ihm im Schatten neben der Wand standen.
»Sie war sehr schön«, flüsterte Secundus, und Letitia glaubte, die Vorhänge rascheln zu hören.
»Septimus geht wirklich sehr effektiv zu Werke«, sagte Quintus. »Das war genau die gleiche Giftmischung, die er mir in den Aal getan hat«, und Letitia meinte, den Wind zu hören, der in den Bergschluchten heulte.
Unterdessen war der ganze Haushalt von ihrem Geschrei erwacht, und man veranstaltete eine Suche nach Lord Septimus, der jedoch nirgends zu finden war. Einer der schwarzen Hengste stand nicht mehr im Stall (in dem der Kutscher schlief und schnarchte und sich nicht aufwecken ließ).
Als Lord Primus am nächsten Morgen aufstand, war er extrem mißgestimmt.
Er lehnte es ab, Letitia hinrichten zu lassen, denn sie sei ebenso Opfer von Septimus’ Machenschaften gewesen wie Tertius. Allerdings ordnete er an, daß sie Tertius’ Leiche zurück nach Schloß Stormhold begleiten solle.
Er hinterließ ihr ein schwarzes Pferd, auf das die Leiche gelegt wurde, und einen Beutel mit Silbermünzen. Das reichte, um einen Bewohner von Nottaway dafür zu bezahlen, mit ihr zu reisen – um zu gewährleisten, daß sich nicht die Wölfe mit dem Pferd und den Überresten seines Bruders davonmachten – und den Kutscher auszubezahlen, wenn er endlich aufwachte.
Dann verließ Lord Primus das Dorf Nottaway, allein in der Kutsche, die jetzt von vier schwarzen Hengsten gezogen wurde, und wesentlich übler gelaunt als bei seiner Ankunft.
* * *
Brevis kam an die Wegkreuzung, ein Seil hinter sich her zerrend, an dessen anderes Ende ein bärtiger Ziegenbock mit großen Hörnern und bitterbösen Augen gebunden war. Brevis wollte ihn zum Markt bringen, um ihn
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