Sternwanderer
Primus fest.
»Etwas Unnatürliches?«
»Oder etwas mehr als Natürliches, etwas Übernatürliches, wenn du so willst. Hoffentlich gibt es irgendwo ein Gasthaus am Weg. Die Pferde müssen sich ausruhen, und mir wäre ein Bett und ein warmes Feuer auch nicht unlieb – und eine gute Mahlzeit.«
Tristran brachte seine uneingeschränkte Zustimmung zum Ausdruck. Er dachte an den Stern und das Einhorn. Bestimmt war dem Mädchen jetzt kalt, und es war naß. Er machte sich Sorgen um sein gebrochenes Bein und dachte, daß es mittlerweile bestimmt kaum mehr reiten konnte. Und das alles war seine Schuld. Er fühlte sich elend.
»Ich bin der elendste Mensch, der je gelebt hat«, sagte er zu Lord Primus, als sie anhielten, um den Pferden Futtersäcke mit nassem Hafer zu geben.
»Du bist jung und verliebt«, entgegnete Primus. »Jeder junge Mann in deiner Lage ist der elendste junge Mann, der je gelebt hat.«
Tristran fragte sich, wie Lord Primus die Existenz von Victoria Forester erraten hatte. Dann stellte er sich vor, wie er ihr von seinen Abenteuern berichtete, zu Hause in Wall, vor einem knisternden Kaminfeuer im Salon; aber irgendwie kamen ihm all seine Geschichten langweilig vor.
Die Dunkelheit schien an diesem Tag schon mit dem Morgen hereinzubrechen, und inzwischen war der Himmel beinahe schwarz. Noch immer stieg der Weg stetig an. Gelegentlich ließ der Regen für ein paar Augenblicke nach, dann setzte er wieder ein, stärker als je zuvor.
»Ist das ein Licht dort drüben?« fragte Tristran.
»Ich sehe nichts. Vielleicht eine optische Täuschung, vielleicht ein Blitz…«, meinte Primus. Doch als sie zur nächsten Wegbiegung kamen, korrigierte er sich. »Ich habe mich getäuscht, da ist tatsächlich ein Feuer. Sehr aufmerksam von dir, Junge. Aber es gibt böse Wesen in diesen Bergen, und wir können nur hoffen, daß diese dort uns freundlich gesinnt sind.«
Nun, da die Pferde ein Ziel vor Augen hatten, schöpften sie neue Kraft und preschten voran. Ein Blitz erleuchtete die Berge, die zu beiden Seiten aufragten.
»Wir haben Glück!« rief Primus, und seine tiefe Stimme dröhnte wie der Donner. »Da ist ein Gasthaus!«
KAPITEL 7
Im Gasthaus »Zum Zweispänner«
Die Sternfrau war durchnäßt bis auf die Haut, als sie am Paß eintraf, sie fror erbärmlich und fühlte eine große Traurigkeit. Außerdem machte sie sich Sorgen um das Einhorn; am letzten Tag ihrer Reise hatten sie kein Futter für das Tier gefunden, denn das Gras und die Farne des Waldes waren grauem Fels und verkrüppelten Dornbüschen gewichen. Die unbeschlagenen Hufe des Einhorns waren nicht für die steinige Straße gemacht, und das Tier war auch nicht gewohnt, Reiter zu tragen. So wurde sein Schritt langsam und immer langsamer.
Während sie sich mühsam vorwärts quälten, verfluchte das Sternmädchen den Tag, an dem es auf diese nasse, unfreundliche Erde gefallen war. Vom Himmel aus hatte alles so sanft und einladend gewirkt. Aber das war lange her. Jetzt haßte es alles außer dem Einhorn; doch wundgeritten, wie es war, hätte es sich gern auch von ihm eine Weile getrennt.
Nach einem ganzen Tag im strömenden Regen waren die Lichter des Gasthauses das Freundlichste, was es gesehen hatte, seit es auf die Erde gefallen war. »Paß auf, paß auf«, trommelten die Regentropfen auf dem Stein. Fünfzig Schritte vor dem Gasthaus blieb das Einhorn stehen und weigerte sich weiterzugehen. Die Tür stand offen, und warmes gelbes Licht flutete in die graue Welt hinaus.
»Hallo, Schätzchen«, rief eine freundliche Stimme.
Die Sternfrau streichelte den nassen Hals des Einhorns und redete ihm gut zu, aber es rührte sich nicht, sondern stand wie versteinert im Licht des Gasthauses.
»Nun, kommst du rein, Schätzchen? Oder wollt ihr im Regen bleiben?« Beim freundlichen Klang der Stimme wurde der Sternfrau warm ums Herz, und sie fühlte sich getröstet; die Stimme vermittelte genau die richtige Mischung aus Tatkraft und Fürsorge. »Wir können dir was zu essen machen, wenn du hungrig bist. Im Kamin brennt ein schönes Feuer, und wir haben genügend heißes Wasser, daß du dir die kalten Knochen wärmen kannst.«
»Ich… ich brauche Hilfe…«, stammelte das Mädchen. »Mein Bein…«
»Ach, armes Dingelchen«, rief die Frau. »Ich hole Billy, meinen Mann, der kann dich reintragen. Im Stall gibt es Heu und frisches Wasser für dein Reittier.«
Das Einhorn blickte wild um sich, als die Frau sich näherte. »Nun, nun, Schätzchen.
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