Sternwanderer
nach Hause gekommen seid, Mister Thorn. Ich darf Euch doch sicher zu unserer Hochzeit willkommen heißen?«
»Gewiß würde ich nichts lieber tun«, erwiderte Tristran, obwohl er sich nicht sicher war, ob das stimmte.
* * *
An einem gewöhnlichen Tag wäre es ein unerhörtes Ereignis gewesen, daß die Elster schon vor dem Frühstück so voll war, aber heute war Markttag, und die Einwohner von Wall samt den Fremdlingen drängten sich ins Gasthaus, verspeisten riesige Portionen Lammkeule, Speck und Pilze, Spiegeleier und Blutwurstpastete. Dunstan Thorn erwartete Tristran ebenfalls im Wirtshaus. Als er seinen Sohn kommen sah, stand er auf, ging zu ihm und legte ihm wortlos den Arm um die Schulter. »Du hast es also geschafft, wohlbehalten zurückzukehren«, sagte er, und man hörte seiner Stimme an, wie stolz er war.
Tristran fragte sich, ob er gewachsen war, denn er hatte seinen Vater viel größer in Erinnerung. »Hallo, Vater«, sagte er. »Nur meine Hand habe ich mir ein bißchen verletzt.«
»Deine Mutter hat Frühstück für dich vorbereitet, zu Hause auf der Farm«, sagte Dunstan.
»Ein Frühstück wäre wundervoll«, gestand Tristran. »Und ich freue mich natürlich auch darauf, Mutter zu sehen. Aber wir müssen uns unbedingt unterhalten.« Ihm ging nämlich einiges von dem, was Victoria Forester gesagt hatte, nicht mehr aus dem Kopf.
»Du bist erwachsen geworden«, bemerkte sein Vater. »Aber du hättest einen Besuch beim Barbier dringend nötig.« Damit leerte er seinen Krug. Gemeinsam verließen sie die Siebente Elster und wanderten hinaus in den hellen Morgen.
An einem von Dunstans Feldern kletterten die beiden Thorns über den Zaun, und während sie die Weide überquerten, auf der Tristran als Junge gespielt hatte, schnitt Tristran das Thema an, das ihm keine Ruhe ließ, nämlich die Frage seiner Herkunft. Sein Vater antwortete ihm so ehrlich er konnte auf dem langen Heimweg zum Farmhaus, und berichtete, was damals geschehen war, als wäre es eine alte Geschichte, die er einem weitläufigen Bekannten erzählte. Eine Liebesgeschichte.
Schließlich standen sie vor Tristrans altem Heim, wo seine Schwester auf ihn wartete und ein dampfendes Frühstück auf dem Herd vorbereitet war, das bald auf dem Tisch stand; ein Frühstück, voller Liebe zubereitet von der Frau, die er stets für seine Mutter gehalten hatte.
* * *
Madame Semele arrangierte die letzten Kristallblumen an ihrem Stand und beäugte kritisch den Markt. Es war kurz nach Mittag, und die Kunden begannen sich gerade erst umzusehen. Bis jetzt war noch niemand an ihrer Bude gewesen.
»Es werden immer weniger, alle neun Jahre«, stellte sie fest. »Hör auf meine Worte, bald wird der Markt nur noch eine Erinnerung sein. Es gibt andere Märkte und andere Marktplätze. Ich glaube, dieser Markt hier hat ausgedient. Vielleicht noch vierzig, fünfzig, sechzig Jahre, dann gibt es ihn nicht mehr.«
»Vielleicht«, erwiderte ihre violettäugige Dienerin, »aber mir ist das gleich. Auf jeden Fall bin ich das letzte Mal dabei.«
Madame Semele funkelte sie wütend an. »Ich dachte, ich hätte deine Unverschämtheit schon vor langer Zeit aus dir rausgeprügelt.«
»Das ist durchaus keine Unverschämtheit«, antwortete ihre Sklavin. »Sieh hier.« Sie hielt ihre Silberkette empor, ihre Fessel. Sie glänzte im Sonnenlicht, aber sie war dünner und durchsichtiger geworden; an manchen Stellen schien sie nicht mehr aus Silber zu bestehen, sondern war transparent wie Rauch.
»Was hast du angestellt?« Vor Zorn bildeten sich Spuckefäden in den Mundwinkeln der Alten.
»Ich habe nichts getan, jedenfalls nichts, was ich nicht schon seit achtzehn Jahren tue. Ich war an dich gefesselt als deine Sklavin bis zu dem Tag, an dem der Mond seine Tochter verliert, wenn dies in einer Woche geschieht, in der zwei Montage zusammenkommen. Und meine Zeit bei dir neigt sich nun dem Ende entgegen.«
* * *
Es war nach drei Uhr am Nachmittag. Die Sternfrau hatte sich neben Mr. Bromios’ Erfrischungsstand ins Gras gesetzt und starrte durch den Mauerdurchgang zum Dorf hinüber. Gelegentlich bot ihr ein Stammkunde der Bude ein Glas Wein oder Bier oder eine fettige Wurst an, und jedesmal lehnte sie dankend ab.
»Wartest du auf jemanden?« fragte eine junge Frau mit einem netten Gesicht, irgendwann am Nachmittag.
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Yvaine. »Vielleicht.«
»Bestimmt wartest du auf einen jungen Mann – sonst müßte
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