Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
Blogger-Szene quoll über vor Spekulationen über seine Krankheit; viele der Behauptungen kamen der Wahrheit ziemlich nahe. Jobs war wütend und fühlte sich verletzt. Außerdem ärgerte es ihn, dass Apple nicht stärker gegensteuerte, und so veröffentlichte er am 5. Januar 2009 selbst einen irreführenden offenen Brief, in dem er behauptete, er komme deshalb nicht auf die Macworld, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. »Wie viele von Ihnen wissen, habe ich 2008 stark abgenommen«, fügte er hinzu. »Meine Ärzte glauben, sie haben die Ursache gefunden – einen Hormonüberschuss, durch den mein Körper zu wenig Eiweiß bekommt. Aufwendige Blutuntersuchungen haben diese Diagnose bestätigt. Die Therapie dieses Ernährungsproblems ist relativ einfach.«
Darin lag zwar ein Körnchen Wahrheit, aber nur ein kleines. Eines der Hormone, die von der Bauchspeicheldrüse gebildet werden, ist Glucagon, das Gegenstück zu Insulin. Glucagon veranlasst die Leber, Blutzucker auszuschütten. Jobs’ Tumor hatte Metastasen in der Leber gebildet und dort zu Fehlfunktionen geführt. Sein Körper verzehrte sich praktisch selbst, und die Ärzte gaben ihm Medikamente, um seinen Glucagonspiegel zu senken. Er litt in der Tat an einem Hormonüberschuss, aber nur, weil seine Leber von Krebs befallen war. Das gestand er sich selbst nicht ein und wollte es auch der Öffentlichkeit nicht sagen. Das wiederum war unglücklicherweise ein juristisches Problem, weil er einem börsennotierten Unternehmen vorstand. Aber Jobs war wütend darüber, wie ihn die Blogger-Szene behandelte, und wollte zurückschlagen.
Zu diesem Zeitpunkt war er trotz seines optimistischen Tons schwer krank und litt unter starken Schmerzen. Er hatte sich einer weiteren Chemotherapie unterzogen, die schwere Nebenwirkungen mit sich brachte. Seine Haut trocknete aus und wurde rissig. Auf der Suche nach alternativen Heilmethoden flog er nach Basel, um eine noch im Versuchsstadium befindliche hormongestützte Strahlentherapie auszuprobieren; außerdem unterzog er sich einer ebenfalls noch experimentellen sogenannten Peptidrezeptor-Radionuklidbehandlung, an der in Rotterdam geforscht wurde.
Nachdem ihm die rechtlichen Bedenken eine Woche lang mit zunehmender Hartnäckigkeit vorgetragen worden waren, war Jobs endlich bereit, offiziell aus gesundheitlichen Gründen eine Auszeit zu nehmen. Er gab seine Entscheidung am 14. Januar 2009 in einem weiteren offenen Brief an die Apple-Belegschaft bekannt. Zuerst gab er dem Nachhaken der Blogger und der Presse die Schuld daran. »Leider sind die Spekulationen um meinen Gesundheitszustand nicht nur für mich und meine Familie, sondern auch für alle bei Apple eine Quelle ständiger Beunruhigung«, meinte er, gab dann aber zu, dass die Therapie seines »Hormonüberschusses« doch nicht so einfach sei wie erhofft. »In der letzten Woche musste ich erfahren, dass meine gesundheitlichen Probleme komplexer sind, als ich gedacht hatte.« Tim Cook würde wieder das Tagesgeschäft übernehmen, aber Jobs wollte CEO bleiben, an wichtigen Entscheidungen teilhaben und im Juni zurückkehren.
Jobs hatte sich mit Bill Campbell und Art Levinson beraten, die versuchten, die Doppelrolle eines persönlichen Gesundheitsberaters und eines stellvertretenden Firmenchefs hinzubekommen, die restlichen Mitglieder des Board jedoch waren weniger ausführlich und die Aktionäre zu Anfang sogar falsch informiert worden. Das war möglicherweise illegal, und die Börsenaufsicht eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, das Unternehmen habe den Anteilseignern »entscheidende Informationen« vorenthalten. Juristisch wäre es ein Betrugsdelikt gewesen, also eine Straftat, wenn das Unternehmen Falschinformationen verbreitet oder echte Informationen zurückgehalten hätte, die für seine finanziellen Aussichten relevant waren. Weil Jobs und seine Aura so eng mit Apples Comeback in Verbindung standen, schien sein Gesundheitszustand durchaus in diesen Bereich zu fallen. Andererseits war die Rechtslage unklar; auch das Recht des CEO auf Privatsphäre musste berücksichtigt werden. Diese Abwägung war in Jobs’ Fall besonders schwierig, weil er einerseits mehr Wert auf seine Privatsphäre legte und andererseits seine Firma stärker verkörperte als die meisten anderen CEOs. Er machte es seinen Beratern auch nicht gerade einfach; manchmal wurde er sehr emotional, schimpfte und weinte gleichzeitig und zog gegen jeden los, der ihm zu weniger Geheimnistuerei
Weitere Kostenlose Bücher