Stich ins Herz - Robb, J: Stich ins Herz - Origin in Death (Death 21)
die Tür von außen schloss, sich erneut an ihren Schreibtisch setzte und etwas am Computer schrieb, ehe sie Punkt zwölf ein kleines Täschchen aus der Schublade des Schreibtischs zog, nach ihrer Jacke griff und zum Mittagessen ging.
Sechs Minuten später trat Dolores lässig durch die Tür. Sie zeigte keinerlei Erregung, keinerlei Befriedigung, keine Schuldgefühle und nicht die geringste Angst.
Wortlos ging sie durch den Empfangsbereich, fuhr mit dem Lift nach unten, ließ sich am Ausgang kontrollieren, verließ das Gebäude. Und ward nicht mehr gesehen.
Wenn sie kein Profi war, sollte sie es werden, überlegte Eve.
Niemand anderes betrat oder verließ Icoves Büro, bis die Assistentin aus der Mittagspause kam.
Eve holte sich einen zweiten Becher Kaffee und ging die ungezählten Infos, die sie über Icove senior gefunden hatte, durch.
»D er Typ war ein verdammter Heiliger«, sagte sie zu ihrer Partnerin. Es hatte aufgehört zu regnen, aber immer noch hing eine ärgerliche, neblig graue Feuchtigkeit in der viel zu kalten Luft. »K am aus eher bescheidenen Verhältnissen, hat dafür aber umso mehr erreicht. Auch seine Eltern waren Mediziner und haben Kliniken in armen Gegenden und Dritte-Welt-Ländern geführt. Seine Mutter erlitt schwere Verbrennungen, als sie versuchte, Kinder aus einem Gebäude zu retten, das von Rebellen angegriffen wurde. Sie hat überlebt, war aber fürchterlich entstellt.«
»A lso studiert der Sohn wiederaufbauende Chirurgie.«
»J a, wahrscheinlich hat ihn seine Mutter dazu inspiriert. Während der Innerstädtischen Revolten war er mit einer ambulanten Klinik in Europa und hat sich dort engagiert. Auch seine Frau war eine freiwillige Helferin, die dort bei einem Anschlag umgekommen ist. Der Sohn war damals noch ein Kind, aber er war ein wirklich guter Schüler und hat bereits mit einundzwanzig in Harvard seinen Abschluss in Medizin gemacht.«
»D a war er aber wirklich schnell.«
»A llerdings. Der Senior hat mit seinen Eltern gearbeitet, war aber nicht dabei, als seine Mutter verwundet wurde, weshalb er bei dem Brandanschlag nichts abbekommen hat. Als seine Frau getroffen wurde, war er gerade in einem anderen Teil von London unterwegs.«
»D ann hat er also zweimal echtes Glück oder echtes Pech gehabt.«
»J a. Als er seine Frau verlor, hatte er sich bereits einen Namen in der wiederaufbauenden Chirurgie gemacht, wobei die treibende Kraft das Schicksal seiner Mutter war. Sie war anscheinend eine wirklich attraktive Frau. Ich habe eine alte Aufnahme von ihr gefunden, und ich gebe zu, sie sah wirklich fantastisch aus. Allerdings gibt es auch Fotos von nach der Explosion, und da sieht sie wirklich furchtbar aus. Sie haben es geschafft, sie am Leben zu erhalten, und haben alles in ihrer Macht Stehende getan, aber sie haben sie nicht mehr so hinbekommen, wie sie vorher ausgesehen hat.«
»W ie bei Humpty Dumpty.«
»W as?«
»K ennen Sie nicht den Kinderreim? Der Eierkopf fiel von der Mauer und die zersprungene Schale bekamen nicht mal die Männer des Königs wieder hin.« Peabody bemerkte Eves verständnislosen Blick. »A ch, egal.«
»D rei Jahre später hat sie sich umgebracht. Icove hat sich ganz der rekonstruktiven Chirurgie verschrieben und die hehre Arbeit seiner Eltern dadurch fortgesetzt, dass er seine Dienste während der Innerstädtischen Revolten angeboten hat. Er hat seine Frau verloren, seinen Sohn alleine großgezogen, sein Leben ganz der Medizin gewidmet, Kliniken eröffnet, Stiftungen gegründet, sich – häufig ohne Geld dafür zu nehmen – Fällen angenommen, die von anderen als hoffnungslos erachtet wurden, unterrichtet, Vorlesungen gehalten, Stipendien verliehen, die Hungrigen aus einem bodenlosen Korb mit Brot und Fisch genährt und auch sonst zahllose Wunder nicht nur als Mediziner, sondern auch als Mensch vollbracht.«
»D ie letzten Punkte haben Sie sich doch wohl ausgedacht.«
»G lauben Sie? Kein Arzt praktiziert fast sechs Jahrzehnte, ohne dass es zu Prozessen wegen irgendwelcher Fehler kommt, doch gegen ihn wurden erstaunlich wenig Verfahren angestrengt, was vor allem angesichts des Felds, auf dem er tätig war, mehr als überraschend ist.«
»I ch glaube, Sie haben einfach Vorurteile gegen die Schönheitschirurgie.«
»I ch habe keine Vorurteile, ich finde sie nur blöd. Aber dessen ungeachtet ist es ein Gebiet, auf dem die Menschen gerne klagen, nur dass es gegen ihn kaum jemals zum Prozess kam. Ich kann nicht den allerkleinsten Fleck in
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