Stille Gefahr #2
Und fluch nicht so, Brody.« Mit verkniffenem Mund warf sein Vater einen Blick auf die Uhr. »Wenn er nicht bald kommt, rufe ich ihn an. Auf mich wartet auch noch Arbeit und …«
Da hörten sie ein Motorengeräusch.
Draußen sahen sie einen verbeulten Pick-up von der Landstraße abbiegen und auf ihr Haus zufahren.
»Wer ist das?«, fragte sein Dad mit gerunzelter Stirn und stieß dann einen Seufzer aus. »Für so was habe ich wirklich keine Zeit«, murmelte er.
Brody hörte den Alten kaum. Er starrte auf den Pick-up, und das Blut rauschte ihm in den Ohren. Onkel Remy fuhr nicht so eine Karre … Ezra King aber schon. Bei dem Gedanken rutschte Brody das Herz in die Hose. Er drückte die Knie durch, damit seine Beine nicht so zitterten, und befahl sich selbst, ruhig zu bleiben.
Also setzte er eine gelangweilte Miene auf und nahm sich eine Coke aus dem Kühlschrank. Zum Teufel, sollte King doch verdächtigen, wen er wollte. Vielleicht hatte der Mann nicht mal einen Verdacht. Vielleicht wusste er gar nichts. Brody nahm einen großen Schluck von der sprudelnden, kalten Flüssigkeit, womit er seinen nervösen Magen etwas beruhigen konnte.
Doch dann hielt der Pick-up an, und Ezra King stieg nicht allein aus.
Als Brody Onkel Remy sah, blieb ihm beinahe das Herz stehen. Scheiße. Okay. Sein Onkel kam zusammen mit King. Das war gar nicht gut.
Seltsamerweise fielen ihm all die dummen Polizeiserien ein, die sein Dad so gern schaute. Und er musste daran denken, dass er sich immer fragte, warum zum Teufel die Leute versuchten wegzurennen. Sie würden ohnehin gefasst werden. So lief das immer.
Doch in diesem Augenblick dachte Brody selbst an nichts anderes als an Flucht.
Mehr als alles andere wollte er wegrennen.
Wie fest er die Hand um die Colaflasche schloss, merkte er erst, als ihm die kühle Flüssigkeit über die Hand schäumte.
»Der wird abhauen«, brummte Ezra, der durchs Fenster einen Blick auf Brody erhascht hatte, während er seinen Wagen vor dem Haus parkte. Er verzog das Gesicht, rieb sich den Oberschenkel und fragte sich, ob er in der Lage war, einem verängstigten, verzweifelten Jugendlichen nachzujagen.
»Kann passieren.« Remys Gesichtszüge wirkten wie versteinert, der Ausdruck in seinen blauen Augen eisig.
»Meinen Sie, er stellt was an?«
»Verdammt.« Remy warf Ezra einen finsteren Blick zu. Seine übliche charmante Fröhlichkeit wurde von Stress und Kummer überlagert. Er sah müde aus. Müde und bedrückt. »Der Junge hat ein Haus abgefackelt, verflucht noch mal. Ja, ich glaube schon, dass er etwas anstellen könnte.«
Ezra tat der Mann leid und er schüttelte den Kopf. »Das meinte ich nicht. Häuser, na ja … klar, die brennen, aber niemand wurde verletzt. Und er selbst auch nicht. Meinen Sie, wir werden noch bereuen, dass wir Nielson nicht mitgenommen haben?«
»Hoffentlich nicht«, erwiderte Remy, ehe er aus dem Pick-up stieg.
Ja, Remy konnte sich gut vorstellen, dass Brody abhauen würde, genau wie Ezra es vermutete.
Die großen blauen Augen des Jungen schimmerten dunkler als sonst, die Pupillen waren vergrößert. Noch dazu wirkte sein Gesicht blass und Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Verflucht, wieso nahm Hank nichts davon wahr? Remys älterer Bruder war schon immer jemand gewesen, der sich auf das große Ziel konzentrierte, aber Remy hatte gedacht, dazu gehöre auch seine Familie.
Anscheinend lag er da falsch, denn Hank schien nicht mal ansatzweise zu ahnen, was in seinem Sohn vorging.
Wiederum war der Mann schon seit einer ganzen Weile so drauf.
Seit Sheryls Tod.
Hank führte Ezra und ihn in die Küche. »Ich hoffe, das hier wird nicht allzu lange dauern, Remy. Auf mich wartet ein Haufen Arbeit, und dass du erst eine halbe Stunde später als angekündigt auftauchst, macht das Ganze nicht besser.«
»Setz dich, Hank«, sagte Remy ruhig. »Es ist wichtig.«
Sein Bruder sah ihn mit schmalen Augen an. »In meinem Büro liegt bergeweise Papierkram, ich muss Anrufe beantworten, heute Abend steht eine Sitzung an, und es gibt noch eine Menge anderer wichtiger Dinge zu erledigen.«
»Die Angelegenheit hier sollte Vorrang haben«, gab Remy zurück. Sollte … aber würde sie das auch? Er konnte es einfach nicht einschätzen. Während er am Tisch Platz nahm, achtete er darauf, weder Ezra noch Brody anzusehen, wenngleich er den Jungen aus den Augenwinkeln beobachtete.
Ezra tat unauffällig das Gleiche.
Durch und durch ein Bulle, dachte Remy, mit Leib und Seele … selbst in
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