Stille Gefahr #2
in Bewegung. Vorerst würde er einfach immer weiterlaufen.
Früher oder später würde ihm schon etwas einfallen.
Er wollte nicht nach Hause, sein Dad wollte ihn ohnehin eindeutig nicht dahaben.
Stunden vergingen, bis er sich schließlich vor Kings Haus wiederfand – zu weit weg, um es richtig zu sehen, aber nah genug, um die Umrisse der Ruine noch zu erkennen. Für diesen Zustand war er verantwortlich.
Mann, Mom hätte sich wirklich geschämt. Tränen stiegen ihm in die Augen, aber er blinzelte sie fort. Genug geheult. Er musste sich überlegen, was er als Nächstes tun sollte.
Mit einem Schaudern dachte er daran, wie sein Dad ihn angeschaut hatte. Nach Hause zurückkehren …? Konnte er das?
Vielleicht sollte er einfach zu Remy gehen.
»Was würdest du wollen, Mom?«, flüsterte er.
Er hatte so richtig Mist gebaut … Wenn er einen Fehler mache, dann müsse er dafür geradestehen, hatte sie immer gesagt. So machten das anständige Menschen – und so hätte sie es auch von ihm erwartet.
Er schluckte schwer und wandte sich ab.
Das einzig Richtige war, zu Remy zu gehen. Ihm krampfte sich der Magen zusammen. Er hatte in letzter Zeit genug Ärger gehabt, um zu wissen, dass es kein Zuckerschlecken werden würde, aber …
»Denk nicht darüber nach«, sagte er sich. »Denk einfach nicht drüber nach. Mach es, bring’s hinter dich, aber denk nicht drüber nach.«
Gerade als Ezra in Lenas Einfahrt bog, klingelte sein Handy. In der Hoffnung auf gute Nachrichten griff er danach, doch er ahnte bereits, dass er enttäuscht werden würde.
»Irgendeine Spur von ihm?«
»Nicht die geringste«, antwortete Remy.
Ezra rieb sich die Augen und sehnte sich nach einem Bier. Und nach einem Stuhl. Vor allem nach einem Stuhl. Sein Bein brachte ihn fast um.
Sie hatten die letzten drei Stunden erfolglos nach Brody Jennings gefahndet. Nun wurde es langsam dunkel. Die Vorstellung, dass der Junge sich nachts draußen herumtrieb, bereitete ihm Unbehagen, vor allem angesichts der entsetzlichen Ereignisse der letzten Wochen.
Wenn sie den Jungen nicht bald finden würden …
Verdammt. Was konnten sie noch tun?
»Hat sich Ihr Bruder ein bisschen beruhigt?«
»Ja.« Remy klang seltsam angespannt, und Ezra kam zu dem Schluss, dass die beiden Brüder dringend einmal ein paar Dinge klären sollten. Hank Jennings musste seine Probleme bewältigen, wie auch immer die aussahen. Dass der Mann seine Frau verloren hatte, tat Ezra leid, aber deswegen konnte er nicht seinen Sohn vernachlässigen. Es war für den Mistkerl an der Zeit, aufzuwachen.
Der Junge ging vor.
»Hat er vielleicht irgendeine Idee, wo Brody hingelaufen sein könnte?«
»Nein.« Remy stockte. »Die beiden reden nicht viel miteinander. Ich weiß, dass Brody kaum Freunde hat – dafür war er in letzter Zeit zu ruhig, hat sich zu sehr zurückgezogen. Wenn er mit dem Quad unterwegs wäre, hätte ich eine Ahnung, wo ich suchen müsste, aber er ist zu Fuß.«
»Dann suchen wir eben weiter.« Ezra schaltete den Motor ab und stieg aus dem Pick-up.
»Vielleicht sollten wir einfach abwarten, bis er bereit ist, nach Hause zu kommen.«
»Nein.« Er würde dieses ungute Gefühl in seiner Magengegend nicht ignorieren, denn es ließ ihn wünschen, er trüge seine Pistole bei sich. Die hatte im Safe in seinem Haus gelegen, und auch wenn man sie bestimmt noch reparieren konnte, war sie zurzeit wohl eher unbrauchbar. »Hören Sie, ich bringe Lena schnell zu Law und mache mich dann wieder auf die Suche nach Brody.«
»Das müssen Sie nicht, King. Sie haben schon …«
»Ich werde weitersuchen«, fiel Ezra ihm ins Wort. »Und Sie sollten dasselbe tun. Nach all dem, was in letzter Zeit in der Gegend vorgefallen ist, halte ich es für keine gute Idee, dass der Junge allein draußen herumstromert. Es wird langsam Nacht, Jennings. Wir müssen ihn finden – heute noch. Falls Ihnen jemand einen Gefallen schuldet, sollten Sie ihn jetzt einfordern. Und vielleicht kann Nielson einen seiner Männer losschicken.«
Wieder herrschte für einen Moment Schweigen, bis Remy eine Reihe leiser Flüche ausstieß. Dann wurde die Verbindung abrupt getrennt. Während er auf das Haus zulief, verstaute Ezra sein Handy in der Hosentasche.
Erst würde er sich um Lena kümmern … und sich dann weiter Gedanken um den Jungen machen.
Er hatte vergessen, wie dunkel es im Wald werden konnte.
Mit den Händen in den Hosentaschen stolperte Brody vorwärts und konzentrierte sich auf das schwach glimmende Licht
Weitere Kostenlose Bücher