Stille Gefahr #2
bewusst, dass sie Blicke auf sich ziehen würde.
Eine fremde Frau mit exotischer Hautfarbe, die auf einer Harley über die Hauptstraße brauste, und das in einem kleinen Nest im Mittleren Westen – ja, der ein oder andere würde sich ganz sicher umdrehen.
Und noch mehr Menschen wandten die Köpfe, als sie schließlich vor dem Büro des Sheriffs zum Stehen kam und von ihrer Maschine stieg.
Nia war ein Meter fünfundsiebzig groß und besaß endlos lange Beine. Durch die Absätze ihrer Stiefel kamen noch einmal fünf Zentimeter hinzu, sodass sie es alles in allem auf ein Gardemaß von eins achtzig brachte. Zudem trug sie ihre Wut und ihre Trauer wie eine hässliche rote Narbe zur Schau, und da war es fast schon klar, dass die Leute guckten. Wahrscheinlich flüsterten sie hinter ihrem Rücken und fragten sich, auf was für Ärger sie wohl aus war.
Tja, Ärger machen wollte sie tatsächlich.
Zumindest was einige bestimmte Personen betraf.
Zum Beispiel Sheriff Dwight Nielson.
Sie steckte die Schlüssel in die Tasche und spazierte den Bürgersteig entlang.
Nichts Neues …
Oh, der freundliche Sheriff hielt sie immer auf dem Laufenden. Das musste sie ihm lassen.
Aber er konnte ihr nichts Neues erzählen.
Weil es nämlich nichts Neues gab.
Und so langsam hatte Nia die Schnauze voll.
Irgendetwas musste es doch geben.
Irgendetwas.
Und sie würde nicht eher gehen, bis sie etwas herausgekriegt hatte, verflucht noch einmal.
Genau an dem Tag, an dem Miss Tuttle sich freigenommen hatte, brauchte Nielson sie am nötigsten.
»Sie können nicht ernsthaft von mir erwarten, Ihnen zu glauben , dass Sie beide für unschuldig halten«, fauchte Deb ihn an, wobei sie die Wörter förmlich ausspuckte, als würden sie bitter schmecken.
Nielson hatte die Hände gefaltet auf den Tisch gelegt, verzog keine Miene und antwortete mit neutraler Stimme. »Deb, wenn ich sie für schuldig hielte, würde ich nach Beweisen suchen. Und selbst wenn nicht, wäre es nicht anders. Und genau das habe ich auch getan. Dafür sind eigens mehrere Deputies von mir abgestellt worden. Allein Detective Jennings hat Stunden mit dem Fall zugebracht. Ich selbst habe mich lange mit dieser Sache beschäftigt. Es gibt keine Beweise. Weder Law Reilly noch Hope Carson kommen für die Verbrechen infrage. Und wenn Sie nichts anderes gegen sie vorbringen können als … Abneigung, dann müssen Sie sich damit abfinden.«
»Mich damit abfinden?«
Steif wie ein Brett stand sie da, die rechte Hand auf die Brust gelegt. Ihr Gesichtsausdruck verriet größtmögliche moralische Entrüstung. Nielson hätte gelacht, wusste jedoch, wie viel schlimmer er es damit gemacht hätte.
Wenn ihm doch nur auch klar gewesen wäre, wie viel schlimmer das Ganze noch werden sollte …
»Entschuldigen Sie, Sheriff.«
Er schaute auf.
Nia Hollister warf einen langen, schmalen Schatten in sein Büro.
Viel hatte sie nicht mit ihrer Cousine gemeinsam, abgesehen vom Nachnamen natürlich.
Aber er konnte sehen, wie der Kummer an ihr zehrte, bemerkte den Zorn in ihr, den sie offen zur Schau trug.
Trauer und Zorn – eine gefährliche Kombination. Der Raum kam ihm in diesem Moment nur noch halb so groß vor.
Sie richtete den Blick auf Deb Sparks, und Nielson fiel ein, wie Nia das letzte Mal in seinem Büro gestanden hatte.
Auch da war Deb bei ihm gewesen und hatte ihm so ziemlich dieselben Vorwürfe gemacht.
Nia verengte ihre hellbraunen Augen zu Schlitzen.
Sie besaß einen messerscharfen Verstand. Man konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf anfing zu rattern.
Nielson blickte sie an. »Deb, wenn Sie bitte so freundlich wären, ich habe etwas mit meinem Besuch hier zu besprechen.«
Deb versteifte sich. Auch ohne ihr ins Gesicht sehen zu können, ahnte er, wie maßlos empört sie sein musste. Er löste den Blick von Nia und brachte ein Lächeln zustande. »Sie hat einen sehr langen Weg hinter sich – und vor Kurzem einen tragischen Verlust erlitten. Sie haben doch sicher Verständnis dafür.«
Immerhin wusste er, welche Knöpfe er bei dieser Frau drücken musste.
Deb presste die Lippen aufeinander, senkte jedoch den Kopf. »Oh, aber natürlich. Wir beide sind allerdings noch nicht fertig miteinander.«
Nein, natürlich nicht.
Solange sie nur auf der Stelle verschwand, bevor Nia Hollister noch auf die Idee kam, das größte Klatschmaul in der Stadt zu fragen …
»Also, irgendwie bin ich jetzt neugierig. Über wen lästern Sie denn die ganze Zeit über?«
Nia verschränkte
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