Stille Seele (German Edition)
wenn du nicht duschen musst, dann braucht das ja auch niemand anderes, nicht wahr?“ Sie sah von ihrem Buch auf und blitzte ihn wütend an.
„Das ist nicht fair!“ Jakob rieb die Hände gegeneinander und blies warmen Atem dagegen. Er fröstelte. „Ich war jetzt fast dreizehn Stunden draußen und habe kaputte Weidezäune repariert. Ich habe mir den Arsch abgefroren, nur damit du mich anschreist, sobald ich nach Hause komme?“
„Ich schreie nicht!“ Mit einer provozierenden Ruhe in der Stimme betonte sie jedes einzelne Wort. „Und falls es dir nicht aufgefallen ist, das hier ist kein Zuhause. Bestenfalls eine heruntergekommene Bruchbude!“
„Und dafür kann ich jetzt etwas oder was?“ Jakobs Stimme war deutlich lauter geworden und er fragte sich, seit wann es so schwierig zwischen ihnen geworden war. Wann sie angefangen hatten, gegen den anderen zu arbeiten und sich nicht mehr gegenseitig zu stützen. Er vermisste ihre Nähe, sowohl körperlich als auch emotional. Ihre Art, seinen Tag zu einem guten Tag zu machen, einfach weil sie da war und ihm das Gefühl gab, ihn zu lieben.
„Ich will mich nicht streiten, Jules!“
„Ach ja, das ist ja toll! Du willst dich nicht streiten, du willst nicht für Warmwasser sorgen und du willst dich deinen Fehlern nicht stellen, weswegen wir in dieser Scheiße hier festsitzen. Du, du, du!“ Sie schrie mittlerweile und baute sich trotz ihrer zierlichen Statur drohend vor ihm auf. Tränen standen in ihren Augen, aber sie blinzelte sie trotzig fort.
„Was? Soll ich etwa in den Knast gehen, damit du dein Leben wi eder so leben kannst wie vor mir? Ich hab dich nicht gebeten, das hier zu machen!“ Er fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. „Wenn du es mit mir nicht mehr aushältst, dann geh doch zurück zu deinem ach so tollen Daddy, aber ich werde nicht für etwas in den Knast gehen, was ich nicht selbst verschuldet habe.“ Heftig atmend blieb er vor ihr stehen und auch Julie starrte ihn einen Moment wortlos an.
„Hör zu, Julie, ich wollte das nicht sagen. Es tut mir leid. Ich ve rstehe nur nicht, wieso es so zwischen uns ist in letzter Zeit! Wieso reicht es nicht, dass wir uns lieben?“
Sie seufzte tief. Ihre Stimme war traurig und dunkel. „Guck dich doch mal um, Jay. Das ist kein Leben. Ich vermisse Dad, Casper, Thomas, die Bar, mein Zuhause! Und du tust es auch. Du vermisst sie ebenso, genau wie deine Familie!“
„Ich weiß!“ Zärtlich zog er sie in seine Arme und küsste sie aufs Ohr. „Es ist zu viel, was ich von dir verlange, aber ich weiß nicht, was ich tun soll!“
„Wir sind nirgendwo lange genug, damit ich mich zuhause fühlen könnte, und wir haben ständig zu wenig Geld! Wir gehen daran k aputt!“
Jakob spürte, wie ihre Tränen seinen Pullover durchnässten und überlegte fieberhaft, was er tun könnte.
„Warte kurz! Ich habe etwas für dich!“ Mit einem Leuchten in den Augen ließ er sie in der Mitte des Zimmers stehen und kramte in seiner Reisetasche, die halb geleert unter seiner Betthälfte stand. Triumphierend reckte er ein kleines Marmeladenglas in die Höhe, bevor er langsam zu Julie zurückging.
„Was ist das?“ Sie verzog zweifelnd das Gesicht.
„Mach die Augen zu!“ Ihre Augen verdrehten sich genervt, aber sie schloss sie unmittelbar danach. Das leise Klicken, als Jakob den Deckel abnahm, durchbrach die Stille. „So, und jetzt atme tief ein.“
Er sah, wie Julie den Geruch von Marble Hills‘ Erde tief in sich aufnahm und sich ein verwunderter Ausdruck auf ihr Gesicht legte.
„Was ist das, Jay?“ Ihre Stimme war leise und sie legte zärtlich ihre Hand an seine Wange.
„Das ist unser Stück Zuhause! Ich habe es eingepackt, kurz bevor wir los sind! Das und wir beide ist alles, was wir an Zuhause noch haben, aber es ist etwas, oder nicht?“ Zärtlich küsste er sie, rieb sich etwas Erde an die Fingerspitze und zeichnete damit einen dunklen Strich in Julies Gesicht. „Ich liebe dich und ich ertrage es nicht, wenn es so zwischen uns ist! Ich will mich nicht mit dir streiten!“ Er zögerte kurz. „Wir könnten zurückgehen! Ich würde es schon irgendwie scha ffen, wenn ich weiß, dass du auf mich wartest!“
Mit einem Kopfschütteln küsste sie ihn und schob mit einer ve rzweifelten Innigkeit ihre Hände unter seinen Pullover. Ihre Finger wanderten über seine muskulöse Rückenpartie. Seine Küsse wurden fordernder und ihr Körper bog sich ihm entgegen. Mit einem Ruck hob er sie an und trug sie zur
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