Stille Seele (German Edition)
Landschaft an Caspers Wagenfenster vorbeiflog, aber jeder Meter, den er sich von seinem neuen Leben entfernte, erschien ihm völlig unwir klich. Wie hatte das alles so weit kommen können? Weil du ein verdammter Idiot bist. Oder hast du ernsthaft geglaubt, diese Lüge würde auf Dauer gutgehen? Jakob zuckte kaum merklich zusammen und wischte sich stöhnend die Augen.
„Alles in Ordnung?“
„Nicht wirklich!“ Jakob setzte sich auf und zwang sich, seine Gedanken zu ordnen. „Hör mal, Cas! Ich wollte dir das schon lange sagen, aber ich konnte nicht darüber sprechen. Die Gefahr, dass genau das hier passieren würde, war einfach zu groß!“ Er kratzte sich unsicher am Kopf. „Auf jeden Fall wollte ich, dass du weißt, dass ich dir niemals wehtun wollte. Ich meine, damals in der Bar. Ich wusste, dass du ein netter Typ bist. Du hattest etwas getrunken und ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle.“
„Du hast dich bereits entschuldigt und wie du gemerkt hast, habe ich dir verziehen!“
„Ich weiß, aber jetzt kann ich es dir erklären und ich denke, das bin ich dir schuldig!“ Jakob wandte den Kopf ab und starrte aus dem Fenster, bevor er leise fortfuhr. „Sie sagen, es ist eines der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung, dass man diese Wut in sich spürt und es nicht kontrollieren kann. Ich persönlich denke, dass da drüben etwas in uns freigelassen wird, das schwer wieder einzusperren ist. Ich glaube nicht, dass ich noch derselbe Mensch bin wie früher, und ich glaube für meinen Teil, dass man auch nie wieder dahin zurückgelangt. Trotzdem hätte ich dir niemals wehtun dürfen! Julie hat es leichter gemacht für mich. Ich habe mich, glaube ich, vom ersten Augenblick ziemlich verknallt, und dann hast du sie angegraben und da ist mir ‘ne Sicherung durchgebrannt!“
„Ist es drüben wirklich so schlimm gewesen?“
Jakob nickte unbestimmt. „Ich habe Angst, dass Julie alles aufgibt und es umsonst sein wird! Dass ich ihr nicht das geben kann, was sie braucht. Ich bin ehrlich ganz schön kaputt!“ Er lachte gekünstelt auf.
„Sie liebt dich!“ Casper lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. „Außerdem bist du echt ein Prachtkerlchen!“ Er hielt den Wagen vor dem unscheinbaren Motel etwas außerhalb von Marble Hills. Julies Wagen stand auf dem Parkplatz und Jakob stieß erleichtert die Luft aus seinen Lungen. Sie war hier, das machte es erheblich leichter. Trotzdem zögerte er. „Was, wenn sie sich gegen mich entscheidet?“
„Noch mal, sie liebt dich!“ Casper zog seinen Autoschlüssel aus dem Schloss und hielt ihn Jakob unter die Nase. „Sie werden Julies Auto suchen lassen, wenn ihr damit fahrt!“ Auffordernd hielt er seinen Schlüssel noch etwas dichter vor Jakobs Gesicht.
Langsam nahm Jakob ihn ihm ab. „Danke, Cas, ich weiß nicht, was ich sagen soll! Du bist ein echter Freund!“
„Jetzt werd nicht sentimental und leg endlich los. Ihr müsst packen und sehen, dass ihr hier wegkommt!“ Unwillig ließ er sich kurz von Jakob in die Arme ziehen und stieg dann aus.
Julie öffnete die Tür. „Hey, ihr beiden, so früh schon unterwegs? Ich dachte, du wolltest zu Dad, Jay?“ Sie stand im Türrahmen des Motelzimmers und spielte mit dem Ende ihres unordentlich geflocht enen Zopfes.
Jakob blieb stehen und sah hilfesuchend zu Casper. Wie sagt man der Frau, die man liebt, dass das gemeinsame Leben gerade wie ein Kartenhaus zusammengefallen ist?
Casper sprang ein und antwortete an Jakobs Stelle. „Jules, ich weiß Bescheid über Jakob und diese ganze Scheiße. Sie haben es rausbekommen. Black hat euch einen kleinen Vorsprung rausgeholt, aber wenn das, was du mir über deine Gefühle für diesen Mann gesagt hast, wahr ist, dann pack deine Sachen und fahrt so schnell ihr könnt!“
Julie sog zischend die Luft ein und blickte dann fragend zwischen Jakob und Casper hin und her.
„Es stimmt, Julie!“ Ruhelos verlagerte Jakob sein Gewicht von einem Bein auf das andere. „Ein Betriebsprüfer vom Finanzamt ist über einige Unregelmäßigkeiten gestolpert. Er hat rumgeschnüffelt und alles ist aufgeflogen. Sie haben schon einen Haftbefehl. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du mitkommst.“ Seine Stimme brach und klang hohl und leer, als er fortfuhr. „Aber ich muss jetzt los. Sie werden bald hier sein!“
„Gib mir deine Schlüssel, Julie. Ich werde sie ein wenig ablenken!“ Fordernd streckte Casper seine Hand aus und umschloss wenig später Julies Schlüsselbund.
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