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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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Scheibe der Beifahrertür.
    „Müde?“
    Jakob nickte matt. „Bin schon ‘ne ganze Zeit unterwegs.“
    „So siehst du auch aus. Wir brauchen eine ganze Zeit, bis wir Winnipeg erreichen. Warum schläfst du nicht ein bisschen?“ Noch während die Worte seinen Mund verließen, stellte Peter das Radio etwas lauter und begann wenig später, die Melodie mitzusummen.
     
    Jakob hatte vorgehabt, nur ein wenig die Augen zu schließen – sich auszuruhen, ohne wirklich einzuschlafen. Immerhin kannte er Peter gerade einmal eine halbe Stunde und in dem Matschsack und der Reisetasche zu seinen Füßen befand sich alles, was er zurzeit besaß. Trotzdem spürte er, wie sich seine Muskeln entspannten und wie die mentale Anspannung nach und nach von ihm abfiel, ohne dass er das so gewollt hatte. Traditionelle Countrymusik lullte ihn ein und das beständige Brummen des Lasters, unter dessen Reifen die Meilen dahinflogen, sorgte schließlich dafür, dass er doch einschlief. Aber der Schlaf brachte keine Erholung. Er konfrontierte Jakob mit dem Menschen, zu dem er geworden war, weil er zu unreif und dämlich gewesen war, um sein früheres Leben als wertvoll genug zu betrachten. Er hatte in den entscheidenden Momenten eindeutig die falschen Entscheidungen getroffen. Und das nicht nur einmal! In den wirren Sequenzen seiner Träume sah Jakob blutige Körper, Staub, menschliche Exkremente, ausgeschieden, als sie angstgepeinigt gestorben waren. Er sah sich selbst, seine Hände voller Blut – die Hände eines Mörders.
    Schwei ßgebadet schreckte er hoch und sog keuchend die Luft ein.
     
    Der Motor röhrte gleichmäßig, während sich die Scheinwerfer des Lasters durch die dunkle Nacht fraßen. Jakob bemühte sich, seine Atmung unter Kontrolle zu bekommen und unauffällig den Schweiß von seiner Stirn zu wischen, während er erschöpft seine Füße auf dem Matschsack ablegte, der auf dem Boden des Führerhauses stand. Im Radio spielte eine Country-Band, deren Sängerin mit herzergreifender Stimme eine verlorene Liebe besang. Langsam beruhigte sich Jakobs Puls und er spürte, dass seine Atmung wieder regelmäßiger ging.
    „Alles in Ordnung bei dir?“ Peter beäugte ihn argwöhnisch.
    Außer einem Nicken brachte er nichts zustande und lehnte anstatt einer Antwort seinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe.
    „Wie lange bist du schon von zuhause weg?“ Ehrliches Interesse lag in Peters Gesicht, als er Jakob immer noch besorgt ansah.
    Irritiert setzte Jakob sich auf. „Erst seit ein paar Tagen, wieso?“ Er schielte argwöhnisch zu Peter herüber und zupfte unruhig an einem Hautfetzen, der an seinem rechten Daumen hing.
    Mit einer Kopfbewegung zeigte Peter auf den Ring an Jakobs linker Hand. „Ich kenne diese Ringe!“
    Beschämt drehte Jakob den goldenen Ring mit dem Stern auf schwarzem Hintergrund auf der Seite zwischen seinen Fingern hin und her. Er wusste nicht, wieso er ihn noch immer trug. Vielleicht, weil er ihn gemeinsam mit Connor am Ende seiner Ausbildungszeit ausgesucht hatte. Connor – Jakob schloss kurz seine Augen. Vielleicht bildete er sich tatsächlich ein, dass ihn dieser Ring noch immer mit diesem Mann verband, obwohl sein Freund längst gemeinsam mit dem Äquivalent zu diesem Ring sechs Fuß unter der festen Erde Nebraskas lag. Jakobs Blick fiel auf die kräftig hervorgearbeiteten Buchstaben des Wortes Mut. Ein bitteres Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Mut – Irrsinn wäre die treffendere Umschreibung gewesen.
    Jakob verspürte keine Lust, über die Vergangenheit zu sprechen, aber der Anstand verlangte, dass er antwortete. Immerhin nahm Peter ihn in seinem Truck mit und schien ein wirklich netter Typ zu sein. Er würde nicht über die Zeit sprechen, in der er diesen Ring ausgesucht hatte. Als er und Connor noch gedacht hatten, sie wären unbesiegbar und würden das absolut Richtige tun, also quetschte Jakob mühsam zwischen den Zähnen hervor: „Ich wohne seit etwas mehr als zwei Jahren nicht mehr zuhause!“
    Peter nickte bedächtig. „Dann bist du früh von zuhause weg!“
    „Ich glaube, die waren ganz froh, mich los zu sein!“ Jakob grinste schief und schob sich ein Kaugummi zwischen die Zähne. Schlechte Gewohnheiten legte man nicht ab. Er hasste den Geschmack, der i nnerhalb der ersten Minuten vollständig verblasste und danach nur noch abgestanden schmeckte. Eigentlich hatte er ihn schon immer gehasst, aber er brauchte das Gefühl von Ruhe, das ihm die regelmäßige, gleichförmige Bewegung des

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