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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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Kauens brachte.
    „Deine Familie wird sicher froh sein, wenn du Kanada gesehen hast und wieder nach Hause kommst!“
    „Vielleicht!“ Jakob starrte nachdenklich in die Dunkelheit und spürte, wie ein trauriges, leeres Gefühl von Heimweh sein Inneres durchflutete. Er würde nicht zurückkehren. Nie mehr! Wenn das hier funktionieren sollte, durfte er nicht zweifeln. Keinen Kontakt, und sollte er noch so gering sein, er musste komplett neu anfangen. Unwillig schüttelte er das nagende Gefühl der Unsicherheit ab und starrte trotzig in die Dunkelheit.
    „Hat es dich nach der ganzen Zeit nicht zuhause gehalten?“ Peter schaltete herunter, als sich der Laster eine leichte Steigung hinauf kämpfte.
    „Nein, war mir zu langweilig. Mich hält dort nichts! Ich will etwas von der Welt sehen, und jetzt ist Kanada an der Reihe!“ Der verzweifelte Ton in seiner Stimme schaffte es nicht einmal, ihn selbst zu überzeugen. Er vermied es, Peter anzusehen, und verlor sich in seinen Gedanken.
    Jakob erinnerte sich an seine Familie und es fiel ihm schwer zu ve rstehen, wie alles hatte so kommen können. Er war unzufrieden gewesen und das unbestimmte Gefühl in seinem Inneren, dass vieles nicht so lief, wie es das eigentlich sollte, hatte er irgendwann nicht mehr überhören können. In seiner Frustration hatte er die Verantwortung für alles, was ihm nicht passte, auf seine Eltern geschoben und sie wütend von sich gestoßen. Die Army hatte ihm das Gefühl gegeben, erwachsen und akzeptiert zu sein. Er hatte das Gefühl gehabt, hier seine Stärken für sich arbeiten lassen zu können und endlich etwas Sinnvolles mit seinem Leben zu tun. Jeden Versuch seiner Eltern, auf diese Entscheidung zu reagieren, hatte er als Angriff auf sich selbst gesehen und sich weiter von ihnen distanziert. Mittlerweile war er sicher, dass sie recht gehabt hatten und sein Leben in jedem Fall anders verlaufen wäre, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, nur einmal über sein übergroßes Ego hinauszugucken und die Sache objektiv zu betrachten.
    Zugegeben, sie hatten ihn damals nicht verstanden, aber konnte er ihnen das wirklich vorhalten? Immerhin hatte er sich selbst kein bis schen verstanden. Er erinnerte sich an liebevolle Umarmungen, selbst dann noch, als er sich bereits ärgerlich gegen jede Form der Zuneigung wehrte. Tröstliche Worte in der gemütlichen Küche zuckten durch seine Erinnerung. Ausflüge, die regelmäßig in einem totalen Chaos und oft ihm Streit endeten und dennoch ihre Familie ausgemacht hatten. Er erinnerte sich an die stolzen Blicke seiner Eltern in seiner Kindheit und später dann an ihre besorgten. Der wichtigste Hinweis aber auf die bedingungslose Liebe seiner Eltern war der Umstand, dass sie immer an seiner Seite geblieben waren, und er fragte sich, wieso er so lange blind dafür gewesen war. Jakob war gegangen, weil er ihnen vorgeworfen hatte, ihn aufgegeben zu haben, dabei war er es gewesen, der sie erst von sich gestoßen und dann verlassen hatte. Das Band zwischen ihnen hatte er gekappt. Einmal, zweimal und jetzt ein letztes, endgültiges Mal. Er trug die Konsequenzen für seine unreifen Entscheidungen, aber das Schlimmste war, dass er genau wusste, dass sie gezwungen waren, mindestens genauso den Kopf dafür hinzuhalten.
    Das tränenüberströmte Gesicht seiner Mutter und das zu einer Ma ske erstarrte Gesicht seines Vaters, als er dieses Mal gegangen war, und das Versprechen, in jedem Fall wiederzukommen, das eine glatte Lüge gewesen war, tauchten in Jakobs Erinnerung auf. Er war tatsächlich noch einmal da gewesen, um ihnen den Wagen wieder zurückzubringen, hatte ihn aber nachts mehrere hundert Meter die Straße hinunter abgestellt und den Schlüssel zusammen mit einem kurzen Brief in den Briefkasten geworfen. Das war zwar feige, aber alles, zu was er sich in diesem Moment fähig gefühlt hatte. Er hatte sie genauso verraten und im Stich gelassen wie seine Kameraden und seine Freunde Connor, Tyrel und Torres. Mehrmals atmete Jakob tief durch und starrte dabei aus dem Fenster des Trucks.
    Peter blickte besorgt zu ihm hinüber, hielt sich aber mit einem Kommentar zurück. Stattdessen stimmte er wieder in die Melodie der Radiomusik ein und konzentrierte sich auf die Straße, während Jakob einem barmherzigen, erholsamen Schwarz entgegen glitt, keine Bi lder, keine Gefühle, nur Schlaf.
     

„Wir sind da.“
    Eine Hand rüttelte unbarmherzig an Jakobs Schulter. Langsam kämpfte er sich aus den Tiefen seines Schlafs hoch

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